Die moderne Architektur ist stets auf der Suche nach neuen Wegen, um Ästhetik, Funktionalität und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Ein bemerkenswerter Schritt in diese Richtung ist die Entstehung von Holzhochhäusern, die weltweit Aufmerksamkeit erregen. Diese Bauwerke verkörpern eine gewagte Vision, bei der der traditionelle Baustoff Holz als tragendes Element in urbanen Wolkenkratzern fungiert. Ein besonderes Beispiel dieser Bewegung ist derzeit in Leipzig-Paunsdorf zu beobachten, wo das erste Holzhochhaus Sachsens entsteht. Und nicht nur dies. Mit seiner Fertigstellung wird es sogar das erste Hochhaus in Deutschland sein, das ausschließlich aus Holz erbaut ist. (Anmerkung: Die an späterer Stelle erwähnten Bauvorhaben in Hamburg und Berlin können sich nicht mit diesem Titel schmücken, da sie als Hybridkonstruktion über einen tragenden Betonkern verfügen.)
Leipzig als Vorreiter
Die Wohnungsbaugenossenschaft Kontakt e.G. plant als Bauherr zusammen mit der S & P Sahlmann Planungsgesellschaft Leipzig mbH und der Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH die Errichtung des Holzhochhauses auf einem etwa 4.000 m² großen Grundstück an der Heiterblickallee. Dabei geht es nicht nur darum, einen prägnanten Eingang zur Paunsdorfer Großwohnsiedlung zu schaffen, sondern auch dringend benötigten, mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum zu generieren. Die Bedeutung dieses Vorhabens erstreckt sich jedoch über die rein funktionale Ebene hinaus. Als Experimentalbau und Pilotprojekt wird das Holzhochhaus wertvolle Erkenntnisse liefern, wie der Baustoff Holz effektiv in zeitgenössische Bauwerke integriert werden kann. Dabei werden Fragen zur Entwicklung, Planung, technischen Umsetzung und langfristigen Nutzung des Gebäudes im Mittelpunkt stehen. Leipzig avanciert somit zu einem Pionier im Bereich des nachhaltigen Wohnungsbaus und gestaltet die städtebauliche Zukunft aktiv mit. Die Zusammenarbeit von Architekten, Ingenieuren und Holzbauexperten wird dabei zu einer facettenreichen Melange aus Tradition und Innovation.
Thomas Schmidt, Staatsminister für Regionalentwicklung, fasst Startschuss und Leuchtturmcharakter des Projektes zusammen. So heißt es auf der Website der Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH: „Mit der Anpassung der sächsischen Bauordnung haben wir gerade den Weg für die Errichtung moderner und attraktiver Gebäude in Holzbauweise geebnet. Es folgt nun mit dem ehrgeizigen Leipziger Hochhausprojekt ein weiterer Schritt, der zeigt, welches Potenzial der Holzbau im Freistaat hat. Es ist eine Freude zu sehen, dass die Arbeit unseres Holzbaukompetenzzentrums so schnell erste Früchte trägt.“
Das „HoHo“ Holzhochhaus in Seestadt Aspern, Wien, 2020.
Die Fassade des „HoHo“ soll an eine Baumrinde erinnern.
Vorteile der Holzhausbauweise
Die Konzeption von Holzhochhäusern hat international eine Welle der Begeisterung ausgelöst. Moderne Holztechnologien wie zum Beispiel Brettsperrholz (Cross Laminated Timber, CLT) ermöglichen es, Hochhäuser zu erschaffen, die traditionelle Höhenbeschränkungen sprengen. Holz als Baustoff bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern überzeugt auch durch seine technischen Qualitäten. Es ist leichter als Stahl, jedoch genauso belastbar und besitzt eine hohe Druckfestigkeit. Dies ermöglicht stabile und dennoch leichte Baukonstruktionen, die ressourcenschonend und langlebig sind. Diese Eigenschaften eröffnen neue Horizonte für Architekten, die sich von den starren Grenzen herkömmlicher Baumaterialien befreien wollen. Holzhochhäuser zeichnen sich durch ihre zügige Bauweise aus, da viele Elemente vorgefertigt werden können, was Bauzeiten verkürzt und die Baustellenauswirkungen minimiert. Darüber hinaus ist Holz ein nachwachsender Rohstoff, der lokal verfügbar ist und somit Transportwege verkürzt. Der Bauprozess verursacht weniger Lärm und Staub, was die Belastung für die umgebende Gemeinschaft reduziert. Zudem sorgt Holz für eine effiziente Wärmedämmung und ein angenehmes Raumklima. Die Bauweise mit Holz ist nicht nur umweltfreundlich, sondern trägt auch zur Reduzierung von CO2-Emissionen bei.
Der Holzbau wird immer komplexer und facettenreicher.
Brettsperrholz – auch Cross Laminated Timber genannt
Montage eines Holzhauses. Der Holzbau zeichnet sich unter anderem durch eine schnelle Umsetzung aus.
Holzhochbau national und international
Deutschland hat sich schon vor einigen Jahren der Bewegung für nachhaltiges Bauen mit Holz angeschlossen und zeigt damit ein verstärktes Bewusstsein für ökologische Verantwortung und innovative Bauweisen. In Hamburg entsteht das Projekt „Roots“, ein im Bau befindliches Holzhochhaus im Elbbrückenquartier der HafenCity. Mit einer Höhe von 65 Metern wird es das höchste Holzgebäude Deutschlands sein und ein eindrucksvolles Beispiel für die technische und gestalterische Leistungsfähigkeit des Holzhochhausbaus darstellen. Das seit September 2020 im Bau befindliche Gebäude zeigt, dass der Holzhochhausbau nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch architektonisch ansprechende und innovative Gebäude hervorbringen kann, die die Skyline von Städten prägen. Dies gilt auch für das „WoHo“ in Berlin-Kreuzberg. Geplant als Wohnhochhaus, soll es mit einer Gesamtnutzungsfläche von 18.000 m² nicht nur bezahlbaren Wohnraum bieten, sondern auch öffentliche Flächen für soziale Angebote, Geschäfte und Gastronomie.
Das derzeit höchste Holzhochhaus der Welt findet sich in Norwegen, genauer gesagt in Brumunddal und nennt sich „Mjøstårnet“, was übersetzt „der Turm des Sees Mjøsa“ bedeutet. Dieses Holzhochhaus, welches 2019 fertiggestellt wurde, beeindruckt mit einer Höhe von rund 85,4 Metern und 18 Stockwerken. Die gesamte Struktur des Gebäudes besteht aus Holz, was sowohl für die Tragkonstruktion als auch für die Fassade gilt.
Auch unser Nachbarland Österreich ist im Holzhochhausbau kein unbeschriebenes Blatt, wie das „HoHo“ (Hochhaus Hollergasse) in Wien zeigt. Mit seinen 24 Stockwerken und einer Höhe von etwa 84 Metern könnte es nach dem Mjøstårnet in Norwegen das zweithöchste Holzhochhaus der Welt sein. Nach den Regularien beziehungsweise der Definition des „Council of Tall Buildings“ in Chicago fällt es als Hybridbau in diesem Ranking leider aus dem Rennen, ist jedoch an dieser Stelle trotzdem eine Erwähnung wert.
Ausblick
Die Einführung von Holzhochhäusern markiert einen wichtigen Schritt in der Entwicklung urbaner Räume und hebt die Symbiose aus Natur und Architektur hervor. Das Leipziger Projekt in Paunsdorf ist nicht nur ein Bauprojekt, sondern ein Zeichen für nachhaltige und ästhetisch ansprechende Architektur, die den Anforderungen der modernen Gesellschaft gerecht wird. Der Einsatz von Holz eröffnet eine Welt von Möglichkeiten im Hochhausbau, die von Umweltfreundlichkeit bis hin zu gestalterischer Vielfalt reichen und neue Perspektiven für die Stadtentwicklung eröffnen. Deutschland und die Welt befinden sich inmitten einer Phase des Wandels, in der der Baustoff Holz eine Schlüsselrolle in der Architektur der Zukunft einnimmt, indem er technische Innovationen mit ökologischer Verantwortung verbindet und so eine nachhaltige und lebenswerte Umwelt für kommende Generationen schafft.