04-2022
04-2022

Heizkostenverordnung 2022 — Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 wurde die Verordnung über Heizkostenabrechnung geändert, um damit die Vorgaben der Energieeffizienz-Richtlinie umzusetzen. Die Verordnung betrifft die Abrechnung der Heizkosten und Warmwasserkosten, welche der Vermieter auf den Mieter umlegt. Mit Hinblick auf eine transparente und verbrauchsabhängige Abrechnung soll nicht nur der Mieter vor bösen Überraschungen (hohe Nachzahlungen) bewahrt werden, sondern auch in Bezug auf sein Energieverbrauchsverhalten sensibilisiert werden.

Wie viele neue Verordnungen bedeutet dies jedoch auch wieder zusätzliche Aufwendung und Bürokratie. Aber steht dies überhaupt im Verhältnis zur ursprünglichen Zielsetzung? Dazu sollte zuerst einmal betrachtet werden, was sich überhaupt geändert hat. Der Gesetzgeber hat sich zumindest dahingehend festgelegt, als dass die neue Heizkostenverordnung nach drei Jahren noch einmal auf den Prüfstand gestellt wird, um zu ermitteln, inwieweit die Zielsetzung erreicht wurde oder im schlimmsten Fall der Mieter die Zeche zahlt.

Heizen ist zu einer teuren Angelegenheit geworden. © Shutterstock

Für wen gilt die neue Heizkostenverordnung?

Die neue Heizkostenverordnung betrifft Mehrfamilienhäuser (mindestens zwei Parteien) mit gemeinschaftlich genutzten Heiz- und Warmwasseranlagen. Dabei ist es unabhängig, welcher Energieträger genutzt wird. Einfamilienhäuser und Wohnungen mit eigener Versorgung (z.B. Etagenheizung) fallen durch das Raster. Dies gilt auch für ein Zweifamilienhaus, bei dem eine Einheit vom Eigentümer selbst bewohnt wird und somit nur eine „externe“ Mietpartei bleibt.

Die wichtigsten Änderungen der neuen Heizkostenverordnung

Ab Januar 2022 müssen Mieter jeden Monat über ihren Energieverbrauch informiert werden. Der Mieter erhält so nicht nur eine transparente und aktuelle Kostenübersicht, sondern kann diese auch mit dem Vormonat vergleichen und so ggf. sein Verbrauchsverhalten analysieren und anpassen. Die Abrechnung muss zudem Informationen über die verwendeten Energieträger, den Steueranteil, die öffentlichen Abgaben und die CO2-Emissionsdaten enthalten. Die monatliche Übermittlung kann per Post, per E-Mail oder über eine App erfolgen. Ergänzend ist es von Seiten des Vermieters notwendig, dem Mieter anhängend Kontaktangaben örtlicher Beratungsstellen zur Energieeinsparung mitzuteilen.

Messgeräte sollen perspektivisch fernablesbar sein. Ältere Geräte müssen bis Ende 2026 nachgerüstet oder ausgetauscht werden. Danach sind fernablesbare Zähler und Messgeräte mietrechtlich verpflichtend. In der Praxis würde dies für die Zählerableser eine enorme Zeitersparnis bedeuten und auch die Anwesenheit des Mieters bei Erfassung nicht mehr notwendig machen. Via „Walk-by“ bzw. „Drive-by“-Technik genügt es dann, wenn sich der Ableser in der Nähe der Immobilie aufhält, um die Verbrauchsdaten aus der Ferne zu erfassen. Zwecks des Datenschutzes wird das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik ein wachsames Auge auf die verwendeten Technologien halten müssen.

Bis Ende 2026 muss sichergestellt sein, dass die neuen Ablesegeräte „interoperabel“ sind. Dies bedeutet, dass das jeweilige Gerät zwingend mit Systemen anderer Hersteller kompatibel sein muss. Ein Nebeneffekt ist, dass diese Regelung (wenn umgesetzt) den Anbieterwechsel erleichtert und somit den Wettbewerb fördert.

Ab 2023 müssen neu installierte Geräte an ein sogenanntes „Smart-Meter-Gateway“ angebunden sein. Dies ist ein digitaler Stromzähler mit einer zentralen Kommunikationseinheit. Diese kann perspektivisch Verbrauchsdaten an berechtigte Energieversorgungsunternehmen weiterleiten, die so über den Verbrauch in ihrer Region im Bilde sind und damit eine möglichste intelligente Netzversorgung sicherstellen können. Dies wäre ein weiterer Schritt zur Digitalisierung des Energie- bzw. Wärmemarktes.

Vor- und Nachteile für den Mieter

Ein Vorteil für den Mieter ist sicherlich die Transparenz in Bezug auf die aktuellen Heizkosten und deren Verbrauchs-Metriken. Nicht wenige Mieter werden bei der jährlichen Nebenkostenabrechnung mit einer saftigen Nachzahlung überrascht und hätten sich sicher gewünscht, zwischendrin zumindest einen „Halbzeitstand“ bekommen zu haben. Durch das monatliche Vor-Augen-Führen der Kosten lässt es sich erwarten, dass Verbraucher bewusster heizen und vielleicht auch einmal ein Vollbad durch eine Blitzdusche ersetzen. Die schont nicht nur Ressourcen, sondern entlastet auch den Geldbeutel des Mieters. Ebenfalls ein (kleiner) Vorteil ist das Wegfallen der Anwesenheitspflicht des Mieters beim Zählerablesen. Für Berufstätige, denen zumeist ein Zeitfenster vorgegeben wurde, bedeutete dies in der Regel einen halben bis einen ganzen Urlaubstag oder das Abfeiern von Überstunden. Dies gehört bald der Vergangenheit an.

Warm anziehen — eine Alternative bei ausufernden Heizkosten? © Shutterstock

Nachteilig wird sich für den Mieter die Tatsache auswirken, dass all die neue Technik auch irgendwie bezahlt werden muss und direkt oder indirekt auf den Mieter umgelegt werden wird. Dies betrifft entweder die Anschaffungskosten oder einen möglichen Leasingvertrag zwischen Vermieter und Ablesedienst. Auch Internetportale oder Apps, die Zugriffe auf Verbrauchsdaten gewähren, könnten für ihre Dienste von Vermieter oder Mieter Gebühren verlangen. Sowohl der Deutsche Mieterschutzbund als auch Verbraucherschützer sehen hier ein deutliches Risiko bzw. einen Nachteil auf Seiten des Mieters. In Bezug auf Datenschutz gibt es neben allgemeinen Besorgnissen auch ganz konkrete Kritikpunkte. Man nehme nur einmal an, dass es Streitigkeiten wegen Schimmelbefalls in einem Wohnraum gibt. Während der Mieter auf Mängel an der Bausubstanz pocht, kann der clevere Vermieter – der ja permanenten Zugriff auf das Heizverhalten seines Mieters hat – die „Trumpfkarte“ des unzureichenden Heizens im betreffenden Raum ausspielen und so den Mieter einschüchtern bzw. juristische Auseinandersetzungen zu seinen Gunsten beeinflussen.

Der Heizkostenzuschuss 2022 — Entlastung für alle?

Leider nein. Durch den Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf den Energiemarkt sind die Heizkosten weiter gestiegen und werden es auch weiter tun. Dafür hat die Bundesregierung den Heizkostenzuschuss auf den Plan gerufen, der rund 2,1 Millionen Menschen entlasten soll. Aber: Dies betrifft nur einkommensschwache Bürger wie Wohngeldempfänger, BAföG-Empfänger, Auszubildende mit Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld sowie Aufstiegsgeförderte mit Unterhaltszuschuss. Wohngeldempfänger bekommen pro Haushalt (bei einer Person) 270 Euro, die restlichen Berechtigten bekommen einheitlich 230 Euro pro Jahr. In beiden Fällen unbürokratisch, das heißt ohne Antragsstellung. Die Mehrheit der normalverdienenden Bevölkerung wird jedoch in den kalten Tagen zukünftig etwas weniger aggressiv mit dem Thermostat umgehen müssen und lieber mit Rollkragenpulli und Wollsocken auf dem Sofa sitzen. Da erinnert man sich mit einem Frösteln (wortwörtlich) an die Aussage des ehemaligen Berliner Finanzsenators und SPD-Politikers Thilo Sarrazin: „Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können.“


Titelbild: Pixabay

Text: Stefan Mothes