09-2024
09-2024

Lebenswerte Stadt — 28 x Stadtentwicklung in Dänemark

In welcher Art Stadt wollen wir leben? Welche städtische Umgebung ist es, die Menschen verbindet, fördert und stärkt? Dass unsere nordischen Nachbarn beim Thema Stadtentwicklung schon seit Langem so einiges richtig machen, ist vielen bekannt. 

Doch was genau ist es, das eine Stadt für ihre Menschen lebenswert macht? Viel Grün, freie Flächen, Raum für Begegnung, Mitbestimmung, Wiederbelebung historisch gewachsener Strukturen: Dänemark zeigt, wie es geht – und das nicht nur in Kopenhagen.

Die Ausstellung „Lebenswerte Stadt – 28 x Stadtentwicklung in Dänemark“, die im August im Dresdner Zentrum für Baukultur (ZfBK) zu sehen war, zeigte 28 ganz konkrete Beispiele: Superradwege in Aarhus, ein Kulturhaus von und für Kinder in Kopenhagen, eine Naturkommune in Hjørring, Jütland für mehr Biodiversität, Co-Housing in Lejre oder die Umwandlung einer alten Windradfabrik zum Sport- und Jugendzentrum in Viborg.

Mensch und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt

Laut der dänischen Botschafterin Susanne Hyldelund stehe „das Interesse und Engagement der Bürger:innen“ sowie eine „ambitioniert gedachte Nachhaltigkeit“ im Fokus der dänischen Architekturpolitik. Allein der Aufbau der Ausstellung sprach für sich: Minimalistische und dennoch kunstvoll gestaltete Holzständer trugen Text- und Bildtafeln. Über einen QR-Code konnten zusätzlich Videos zu den Projekten abgerufen werden. Neben einigen Sitzgelegenheiten wurde auf weiteres Inventar verzichtet. Schlicht, stylisch und nachhaltig – für viele spiegelt genau das Mentalität und Ansatz der Skandinavier wider. 

Die Kleinsten ganz vorn dran

Nachhaltigkeit und der Mensch im Mittelpunkt: Dass dabei auch die Allerjüngsten der Gesellschaft mit eingeschlossen werden, ist besonders bemerkenswert. Das Kulturzentrum „Børnekulturhus Ama’r“ in Kopenhagen beispielsweise wurde „nicht nur für Kinder entworfen, sondern auch von ihnen“. Ganz gezielt wurden die Kinder gefragt: „Wie sieht das Kulturzentrum eurer Träume aus?“ Entstanden ist ein Gebäude mit bunt angeordneten Fenstern, mit Kletterwänden und Kissenlandschaften. Neben dem freien Spielen können die Kinder zudem Kunst- und Kulturkurse besuchen. Auch der Abenteuerspielplatz „Vestolden“ im Stadtteil Husum der Hauptstadt zeigt, welche wichtige Rolle die jungen Bewohner in der Stadtentwicklung spielen: Dort wurde eine historische, unter Denkmalschutz stehende Wallanlage zu einem Spieleareal umgebaut. Einzige Bedingung: Die neuen Elemente sollten rückbaubar sein und zudem die ursprüngliche Geschichte der Anlage erzählen. 

Ökodorf und Street Sport

Nachhaltigkeit und Gemeinschaft: Auch das Co-Housing-Projekt „Skråningen” in Lejre ist dafür beispielhaft. Zwischen 2015 und 2019 ist dort ein Eco-Village mit 46 Einzelhäusern und einem Gemeinschaftshaus in nachhaltiger Bauweise entstanden. Unterschiedliche Größen der Bauten ziehen verschiedene Bewohner an: Alt und Jung, Familien und Singles. Durch gemeinsame Flächen und Projekte wie ein Nutzgarten, Tierhaltung und ökologisches Kochen füreinander entsteht ein Gemeinschaftsgefühl in Verbindung mit einer gemeinschaftlich nachhaltigen Lebensweise. 

Gemeinschaftlich geht es auch in Viborg zu: Dort hat die Kommune eine verlassene Fabrikhalle, in der einst Rotoren für die Windkraftindustrie gefertigt wurden, in ein Zentrum für Straßensport umgebaut: skaten, bouldern, Basketball spielen kann man dort in einem urbanen Ambiente mit historischem Bezug. Ein Jahr nach Eröffnung waren bereits zehn Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner von Viborg Mitglied im Verein GAME, der „Streetmekka Viborg“ betreibt. 

Highways für Fahrradfahrer und wildes Leben in der Stadt

Körperliche Bewegung und Nachhaltigkeit verbinden sich auch immer wieder beim Thema Radfahren, das laut Brigitte Tovborg Jensen von der Königlich Dänischen Botschaft „in Dänemark großgeschrieben“ wird, und für dessen Infrastrukturausbau stetig gearbeitet wird. Anschauliche Beispiele dafür sind das Brückenprojekt „Landgangen“ in Esbjerg, „Byens Bro“ in Odense und die Superradwege in Aarhus, die Radpendler auf langen und breiten Routen von den Vororten bis ins Stadtzentrum bringen. 

Die „Byens Bro“-Brücke im dänischen Odense, auch „The City Bridge“ genannt, verbindet Stadtzentrum und ein neu entwickeltes Hafenviertel.

Foto: © Shutterstock

Die 135m lange Brücke ist eine reine Fußgänger- und Radfahrerbrücke und überspannt 15 Bahngleise.

Foto: © Shutterstock

Und um auch die Natur immer mehr in die Stadt zu bringen, hat sich die Kommune Hjørring in Jütland dem Verein “Vild med Vilje” (“Gewollt wild”) angeschlossen. Für die Förderung der Biodiversität wird bewusst auf Rasenmähen verzichtet, gesät und gepflanzt wird an jeder Ecke – am Wegesrand, in Parks, an Schulen und auf Firmengeländen. Sogar lokale Bauern haben für das Vorhaben 50 Hektar Land abgegeben. 

Da Land besonders in den Städten zunehmend knapp und wertvoll ist, ist es lohnenswert und wichtig, sich bei jedem Projekt die Frage zu stellen: Welches Ziel verfolgen wir? Ist unser (Bau)-Vorhaben dienlich für Mensch und Natur? Fördern wir Gemeinschaft, unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten und der Umwelt?  


Die Ausstellung „Lebenswerte Stadt – 28 x Stadtentwicklung in Dänemark“ der Königlich Dänischen Botschaft in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Institut für Stadtplanung war vom 30.07.2024 bis 29.08.2024 im Zentrum für Baukultur in Dresden zu sehen. 

Mit freundlicher Unterstützung des Dänischen AußenministeriumsDänischen KulturministeriumsDreyers Fond sowie Larry versus Harry und out-sider.

Der YouTube-Kanal der Dänischen Botschaft Berlin enthält Videos zu einigen der in der Ausstellung erwähnten Projekte.


Text: Marit Albrecht

Fotos (wenn nicht anders gekennzeichnet): © Bricks Don’t Lie, Tom Vossen