Schon einmal von Umkehrdach gehört? Als nachhaltige Alternative für Flachdächer erobert es deutsche Gebäude. Was genau sich dahinter (darunter) verbirgt – wir haben uns die Dachform genauer angeschaut.
Das Heinz-Steyer-Stadion in Dresden kann auf eine lange und bedeutende Geschichte zurückblicken. Benannt wurde es nach Heinz Steyer, einem bekannten Antifaschisten und kommunistischen Widerstandskämpfer, der während des Zweiten Weltkrieges 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Mit der Namensgebung wurde sein Engagement für den Sport in der Stadt gewürdigt. Seit seiner Eröffnung war das Stadion Schauplatz zahlreicher Sportveranstaltungen und Events. Mit den Jahren hatte das Stadion unter dem Zahn der Zeit gelitten und deutliche Abnutzungserscheinungen gezeigt. Insbesondere die marode Laufbahn und die veralteten Tribünen machten eine umfangreiche Sanierung und Modernisierung des Stadions dringend erforderlich. Derzeit läuft der Umbau zu einer Multifunktionsarena, die bis zu 15.000 Zuschauern Platz bieten soll. Mit einer Gesamtinvestition von rund 35 Millionen Euro* soll das Stadion seine historische Bedeutung bewahren und gleichzeitig den sportlichen Anforderungen der Zukunft gerecht werden. Der Freistaat Sachsen unterstützt die Baumaßnahme mit einem Zuschuss in Höhe von vier Millionen Euro. Darüber hinaus stellt der Freistaat weitere Fördermittel in Höhe von rund 770.000 Euro für die fachgerechte Entsorgung von kontaminiertem Bauschutt zur Verfügung.
Das Heinz-Steyer-Stadion in Dresden wurde am 12. Oktober 1919 eröffnet und hieß zunächst „Stadion am Ostragehege des Dresdner SC“. Im Jahr 1949 wurde es nach Heinz Steyer umbenannt. Das Fassungsvermögen des Stadions betrug 24.000 Zuschauer, aufgrund des baulichen Zustandes war es zuletzt nur noch für 4.500 Zuschauer zugelassen. Im Laufe der Zeit wurde das Stadion mehrfach umgebaut und erweitert. Vor dem Zweiten Weltkrieg fanden hier mehrere Länderspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft statt, auch die DDR-Fußballnationalmannschaft spielte viermal im Stadion, darunter ihr erstes Heim-Länderspiel am 14. Juni 1953 gegen Bulgarien. In der Leichtathletik wurden im Heinz-Steyer-Stadion insgesamt 13 Weltrekorde von DDR-Athleten aufgestellt. Wurde das Stadion anfangs hauptsächlich vom Dresdner SC und seinen Sportabteilungen genutzt, kamen später weitere Sportarten und Vereine hinzu. Seit 2007 ist auch der American Football Verein „Dresden Monarchs“ im Stadion beheimatet.
Mit dem Umbau und der Erweiterung des Heinz-Steyer-Stadions soll eine moderne und vielseitige Sportanlage entstehen, die sowohl den Anforderungen an ein zeitgemäßes Training als auch der Attraktivitätssteigerung der städtischen Sportinfrastruktur gerecht wird. Mit einer Grundfläche von 9.132 m² wird das Stadion eine multifunktionale Sportanlage mit dem Schwerpunkt Leichtathletik. Eine Besonderheit des Stadions ist die Integration der bestehenden Nordtribüne und die starke städtebauliche Einbindung in die umliegende Stadt. Um eine Stadionatmosphäre zu schaffen, werden die Südtribüne, die Nordtribüne sowie Teile der Ost- und Westkurve durch ein umlaufendes Band zu einer einheitlichen Gesamtform zusammengefasst. Unterstützt wird das einheitliche Erscheinungsbild des Stadions durch eine transluzente Vorhangfassade aus Metall, die auch als multimediale Werbe- und Informationsfläche genutzt werden kann.
Neben dem Stadion entstehen im Neubau eine Fechthalle, multifunktionale Sport-, Fitness- und Konferenzräume, Räume für die Sportmedizin, Büros, Vereine und Gastronomie. Die Bündelung aller Sportfunktionen in einem Hauptgebäude gewährleistet eine hohe Funktionalität, wobei die verschiedenen Bereiche entsprechend ihrer Nutzung angeordnet werden. Aufgrund der Mehrfachnutzung des Gebäudes werden besondere konstruktive Merkmale berücksichtigt. Das Multifunktionsgebäude wird ganzjährig für den Breitensport und sowohl für Leichtathletik als auch für Fußball nutzbar sein. Das Stadion wird keine störenden Flutlichtmasten haben, sondern einen umlaufenden Lichtring, der für eine angenehme Beleuchtung sorgt. Dadurch wird der Bau zu einem Vorzeigeprojekt für andere Sportstätten, die von der multifunktionalen Nutzung und der ästhetischen Integration in das Stadtbild profitieren können.
Zwischen der Ballsportarena und dem Heinz-Steyer-Stadion entsteht ein neuer Platz, der als zentraler Eingang zum Sportpark Ostra dient. Dieser kann für verschiedene Sport- oder sonstige Veranstaltungen wie Public Viewings genutzt werden und trägt zur Attraktivität des gesamten Sportkomplexes bei.
In der Planungsphase wurden verschiedene Aspekte berücksichtigt, um das Stadion optimal zu gestalten. Dabei spielten sowohl Funktion als auch Ästhetik eine Rolle. Es galt, die Bedürfnisse der verschiedenen Nutzergruppen wie Fußballvereine, Leichtathleten und Konzertveranstalter zu berücksichtigen und eine multifunktionale Sportstätte zu schaffen. Darüber hinaus wurden ökologische und nachhaltige Aspekte in die Planung einbezogen. So wurde beispielsweise auf energieeffiziente Beleuchtungssysteme und umweltfreundliche Baumaterialien geachtet. Ziel war es, ein Stadion zu schaffen, das nicht nur den sportlichen Anforderungen gerecht wird, sondern auch ökologische Standards erfüllt.
Eine bautechnische Herausforderung war es, die Wegeführung innerhalb des Stadions so zu gestalten, dass die unterschiedlichen Nutzungen reibungslos ablaufen können. Dabei wurde darauf geachtet, dass sich zum Beispiel die Besucherströme von Fußballspielen und Leichtathletikveranstaltungen nicht gegenseitig behindern. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Brandschutzplanung für die verschiedenen Nutzungsszenarien. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und Sicherheitsbestimmungen für Fußballspiele, Konzerte und andere Veranstaltungen mussten spezielle Maßnahmen getroffen werden, um die Sicherheit der Besucher und Sportler zu gewährleisten. Darüber hinaus war die gebäudetechnische Steuerung der unterschiedlichen Nutzungen wie Heizung, Lüftung und andere technische Anlagen eine komplexe Aufgabe. Es musste eine effiziente und flexible Steuerung implementiert werden, um den Anforderungen der verschiedenen Veranstaltungen gerecht zu werden.
Am 26. Oktober 2021 begannen die Abbruch- und Erdarbeiten als offizieller Baubeginn des Heinz-Steyer-Stadions. Die historische Steintribüne aus dem Jahr 1929 und die rote Tartanbahn wurden bereits im November 2021 entfernt. Es folgte der Rückbau der Traversen, der Ost- und Westkurve sowie des Rasens. Insgesamt wurden rund 17.000 Kubikmeter Bauschutt und Boden ausgebaggert und abtransportiert, um die Baugrube fertig zu stellen. Die Baugrube wurde in unterschiedlichen Tiefen ausgehoben, um den Anforderungen der verschiedenen Räumlichkeiten gerecht zu werden. Das Fundament ruht auf rund 400 Betonschottersäulen, die bis zu sechs Meter tief in den tragfähigen Baugrund reichen. Um die Standsicherheit zu gewährleisten, wurden rund 700 Kubikmeter Beton unter den Fundamenten der Squash-Courts verbaut. Zusätzlich wurde wasserundurchlässiger Beton mit einer Abdichtungsfolie verwendet, um das Gebäude vor Hochwasser zu schützen.
Am 2. Juni 2022 fand die Grundsteinlegung statt, gefolgt von der Errichtung der Stockwerke eins bis drei. Parallel dazu wurden im Herbst 2022 die Stützen des markanten Flutlichtrings montiert, der die Nordtribüne überspannt. Im Januar 2023 folgte der Innenausbau und zwei Monate später die Montage der Lichtringträger über der Nordtribüne. Mit dem Richtfest am 4. April 2023 wurde der Rohbau der Südtribüne des Heinz-Steyer-Stadions abgeschlossen. Anwesend waren Oberbürgermeister Dirk Hilbert, Baubeteiligte sowie Vertreter aus Sport und Politik. Gemeinsam mit Innenminister Armin Schuster, dem Finanzvorstand der ZECH Hochbau AG Johannes Koenen, Polier Lutz Albert und DSC-Athletin Vivienne Morgenstern drehte Oberbürgermeister Hilbert symbolisch die letzte Schraube in einen Doppel-T-Träger, der die Dachkonstruktion widerspiegelt. Anschließend hob der letzte verbliebene Kran die Richtkrone.
Ursprünglich war geplant, das neue Heinz-Steyer-Stadion im Sommer 2023 fertig zu stellen. Aufgrund von Verzögerungen in der Bauphase wird sich die Fertigstellung jedoch bis 2024 ziehen. Derzeit wird mit dem Generalunternehmer über einen modifizierten Bauzeitenplan verhandelt.
Unabhängig von der finalen Fertigstellung wird das neue Heinz-Steyer-Stadion einen großen Einfluss auf den Sport in Dresden haben. Mit der modernisierten Anlage wird es möglich sein, noch mehr Sportarten und Veranstaltungen in die Stadt zu holen und damit das Sportleben in Dresden weiter zu bereichern. Das Stadion wird nicht nur den Bedürfnissen der Profivereine gerecht, sondern bietet auch dem Breitensport eine attraktive Spielstätte.
Auch Sören Glöckner, Präsident der Dresden Monarchs e.V. (American Football), hat hohe Erwartungen an die neue Spielstätte seines Vereins: „Am Tag der Entscheidung war ich überzeugt davon, dass dieser Stadionentwurf eine echte Bereicherung für unsere Stadt sein würde. Es ist sehr selten, dass ein so modernes Stadion mit einer Kapazität von 15.000 Zuschauern gebaut wird. Damit kommt auch bei weniger Besuchern eine prima Stimmung auf, was bei einem Stadion mit 45.000 Zuschauerplätzen nicht der Fall wäre“, so der studierte Bauingenieur, der seit 1998 den Verein leitet. „Wir wissen von unseren Spielen im Rudolf-Harbig-Stadion, dass wir allein durch ein modernes, überdachtes Stadion einen deutlich höheren Zuspruch bei unseren Fans haben werden. In unserem neuen Umfeld können wir uns auch bei Fernseh- und Streaming-Übertragungen in der German Football League deutlich professioneller präsentieren.“
*Anmerkung: Arno Dietrich, Gesamtprojektleiter ZECH Sports GmbH, sprach in einer E-Mail vom 11. Mai 2023 abweichend von den Zahlen der Stadt von 42 Millionen Euro Baukosten.
Für den Autor dieser Zeilen war der 8. Mai 2011 in der Geschichte des Heinz-Steyer-Stadions ein besonderer Höhepunkt. Als Begleitläufer unterstützte er an diesem Tag Thomas Dold, einen der weltbesten Treppenläufer, bei seinem Weltrekord im Rückwärtslaufen (40 Minuten und 58 Sekunden). Mehr dazu und ein paar Einblicke ins Stadion gibt es hier.
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Text: Stefan Mothes
Titelbild (Visualisierung): © ARGE ZECH / Phase10, O+M ARCHITEKTEN
Fotos (wenn nicht anders gekennzeichnet): © Stefan Mothes
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Mit der RÜCK-BAU-SCHAU hat das Team Zirkuläres Bauen in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung das Thema recyclingfähiges Bauen mitten ins Herz von Dresden gebracht.