02-2022
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Stopp der KfW 55-Förderung: Chance für nachhaltigeres Bauen?

Im November vergangenen Jahres verkündete die Bundesregierung, die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auslaufen zu lassen. Eine Hiobsbotschaft für Bauherren in ganz Deutschland, die fest mit der Förderung gerechnet haben. Nun stehen der Bau und die Modernisierung von rund 300.000 Wohnungen in Deutschland laut Berechnungen des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW auf der Kippe. Doch die Fördermaßnahme gehörte dringend auf den Prüfstand. Eine neue Förderung bietet die Chance auf ein klimafreundlicheres Bauen.

Auslaufmodell KfW-Förderung für effizientes Bauen

Doch worum geht es genau? Wir reden vom Effizienzhaus-Standard EH-55. Der Zahlen­wert 55 gibt dabei an, wie energie­effizient ein Gebäude im Vergleich zu einem Referenz­gebäude sein muss, um den Kriterien für eine KfW-Förderung zu entsprechen. Bedeutet, dass laut Gebäudeenergiegesetz (kurz: GEG) das Effizienzhaus 55 nur 55 Prozent der Primärenergie im Vergleich zum Referenzgebäude verbrauchen darf. Der bauliche Wärmeschutz muss um mindestens 30 Prozent besser sein als bei einem Referenzgebäude. Bei vielen Bauherren war dieser Standard im Haus- und Wohnungsbau beliebt, weil sie damit mit vergleichsweise geringen Anforderungen an zinsgünstige Darlehen und Tilgungszuschüsse aus dem Fördertopf des Bundesprogramms „Energieeffizient Bauen“ der staatlichen Förderbank KfW gekommen sind.

Das Problem dabei: Die Förderung verfehlte ihr Ziel, Neubauten und Bestandsgebäude energieeffizienter und somit auch ein Stück weit klimagerechter zu machen. Die Anforderungen des EH 55-Standards gelten laut Brancheninsidern inzwischen als Marktstandard für Bauprojekte. Hinzu kommt, dass der gesetzliche Neubau­standard bereits auf dem Niveau von 75 Prozent zum Referenz­gebäude liegt. Somit erhielten Antragssteller die Einstiegs­förderung für die Effizienz­haus-Stufe 55 schon dann, wenn deren Gebäude nur 25 Prozent energieeffizienter gebaut wurde, als die gesetzlichen Mindest­anforderungen es verlangen. Das führte zu Mitnahmeeffekten, wodurch Gebäude energieeffizient erscheinen, die in Wirklichkeit nur wenig Energie einsparen.

Plötzlicher Stopp der Bundesförderung sorgt für Fiasko

Weil viele Bauherren diese geldwerten Vorteile noch mitnehmen wollten, sorgte das Auslaufen der Fördermaßnahme für einen regelrechten Run darauf. Laut Bundeswirtschaftsministerium wurden 2021 insgesamt rund 270.000 Anträge gestellt. Von November bis Januar sei ein Volumen von etwa 20 Milliarden Euro beantragt worden. Das Haushaltsbudget für den restlichen Fördermonat drohte gerissen zu werden – um über 5,2 Milliarden Euro. So zog der neue Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) überraschend am 24. Januar 2021 die Reißleine und stoppte sämtliche Fördermaßnahmen mit sofortiger Wirkung.

Was sich also nach einem nachvollziehbaren Schritt anhört, sorgte für Entsetzen bei Bauherren. Wer einen Hausbau angeht, braucht Planungssicherheit – in jeglicher Hinsicht. Er muss sich auf langfristige und beständige Gesetzes- und Fördergrundlagen verlassen können. Diese ad hoc-Entscheidung war genau das Gegenteil davon. Mit einem Schlag standen mehr als 24.000 Bauprojekte auf der Kippe. Laut Berechnungen des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW entspräche dies etwa 200.000 Wohnungen die neu gebaut und 100.000 Wohnungen die energetisch saniert werden sollten. Eine zusätzliche Belastung für den jetzt schon überhitzten Immobilien- und Wohnungsmarkt. Vielleicht noch folgenschwerer ist das verheerende Signal, das von dieser sprunghaften Politik ausgeht: Man kann sich auf den Staat nicht verlassen.

Förderstopp, und nun?

Bauherren, die ihre Anträge für die KfW EH 55-Förderung zwischen dem 24. und 31. Januar 2022 abgegeben haben, stehen also nun mit einem klaffenden Finanzierungsloch in ihrer Budgetplanung da. Viele müssen umplanen, an anderer Stelle sparen, nachfinanzieren oder auf eine Nachfolgerichtlinie warten. Doch wie diese genau formuliert wird und welche Anforderungen Bauten erfüllen müssen, um ihr zu entsprechen, wird wohl erst in den kommenden Wochen und Monaten festgelegt. Zu spät für viele Bauprojekte. Immerhin: Inzwischen ruderte der Wirtschaftsminister ein stückweit zurück. So wird die EH 55-Förderung zumindest für die Sanierung von Gebäuden bestehen bleiben. Andere Fördermaßnahmen, wie die strengere EH 40-Förderung, werden budgetär gedeckelt bis Ende des Jahres fortgeführt.

Neue Fördermaßnahme als Chance für klimafreundlicheres Bauen

Doch jedes Ende bietet auch immer eine Chance für einen Neuanfang. Im Fall der KfW-Förderung EH 55 kann und sollte nun so nachgesteuert werden, dass mehr wirklich effiziente Gebäude auf dem Stand der Technik entstehen. Staatliche Förderungen für Bauprojekte erfüllen durch ihre Anreize auch eine Steuerungsfunktion des Marktes. Wenn also bei der neuen Förderrichtlinie Energieeffizienz und Klimaschutz im Bau ganzheitlich zusammengedacht und gefördert werden, kann das zu einer großen Veränderung, hin zu mehr Nachhaltigkeit, im Haus- und Wohnungsbau führen. Dabei ist der Grat schmal, denn der Bau muss für Eigentümer noch leistbar sein. Keine leichte Aufgabe bei steigenden Kosten für hochwertige Baumaterialien. Die neue Förderung muss also sehr genau an den richtigen Stellen ansetzen. Bleibt zu hoffen, dass nun mit mehr Fingerspitzengefühl als beim plötzlichen Förderstopp agiert wird.


Text: Robert Kaltschmidt

Titelbild: Shutterstock