Wir haben mit dem wohl bekanntesten Rennstreckendesigner weltweit über die kulturellen Einflüsse in seinen Werken gesprochen.
Vom 9. Juli bis zum 21. August fand in Dresden die Ausstellung „Sorge um den Bestand. Zehn Strategien für die Architektur“ des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) und des Deutschen Architektur Zentrums (DAZ) statt. Präsentiert wurde die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Dresden und dem Zentrum für Baukultur Sachsen (ZfBK). Im Fokus sollte laut Kurator Matthias Böttger ein „dreifaches Sorgetragen“ stehen: die Sorge um den Bestand unseres Planeten, die Sorge um den Baubestand und die Sorge um den Berufsstand des Architekten.
Im DAZ in Berlin nahm die Ausstellung, die laut Kurator Olaf Bahner ein „Plädoyer für eine reduktive Strategie der Architektur“ sein soll, ihren Anfang. In Dresden zog sie in die ehemalige Kantine des VEB Robotron Dresden aus den 70er Jahren. Ein Setting, das für sich spricht. Nach Jahren unterschiedlicher Nutzungen und einer kontroversen Abrissdebatte wird die ehemalige Betriebskantine nun als Ausstellungsraum genutzt und positiv wahrgenommen. Ein Beispiel für sinnvoll wiederbelebten Bestand.
An zehn verschiedenen „Stationen“ konnten unterschiedliche Strategien entdeckt werden, wie mit den jeweiligen Herausforderungen umgegangen werden kann. Verschiedene Installationen sollten zum Umdenken anregen und zu einem Perspektivwechsel im Umgang mit bestehender Architektur führen. „Sich um unseren Planeten Sorgen zu machen“, würde eben nicht mehr reichen, wie es Susanne Wartzeck vom BDA formuliert. „Wir müssen aktiv werden und anfangen, Sorge zu tragen für unsere Umwelt und unsere gebaute Umwelt.“ Wie das gehen kann, darüber sollten die zehn Stationen Aufschluss geben.
Wann haben Sie aufgehört, dazuzulernen?
100 Fragen an die Architektinnen und Architekten
Anhand Strategie 1 „Aufbruch ins Bestehende“ der Ausstellung konnten sich Besucher aus dem Berufsstand der Architektur dahingehend direkt einmal selbst hinterfragen: 100 Fragen verteilt auf vier Fragebögen zu den Themen „Berufung“, „Bestand“, „Verantwortung“ und „Ethos“ sollten anregen, sich mit der eigenen Motivation und dem eigenen Werteverständnis als Architekt/Architektin auseinanderzusetzen.
Der jeweilige Fragebogen zu jeder Rubrik konnte vom Block abgerissen und für die eigene Reflexion mit nach Hause genommen werden. Ein Angebot, das laut einer Mitarbeiterin vom Kunsthaus Dresden rege genutzt wurde. So heißt es auf den Fragebögen zum Beispiel:
– „Wann haben Sie aufgehört, dazuzulernen?“
– „Wie viel Fläche haben Sie bereits versiegelt?“
– „Haben Sie schon einen Bauherrn davon überzeugt, nicht zu bauen/nicht neu zu bauen?“
– „Was soll im Nachruf über Ihr Œuvre stehen?“
In der Mitte des Raumes fiel eine große Konstruktion mit roten Holzstützen auf – ein alter Parkettfußboden wurde in die Vertikale „aufgeständert“, wie Kuratorin Laura Holzberg in einer virtuellen Ausstellungsführung erklärt. Eine sehr anschauliche Anregung zum Perspektivwechsel, um den Bestand anders wahrzunehmen. Als eine herkömmliche Konstruktion in der Architektur, um sanierungsfällige Gebäude oder Ruinen vor dem Einsturz zu bewahren, stehen die roten Stützen auch dafür, innezuhalten. Hier soll sich Zeit genommen werden, das bestehende Gebäude zu durchdenken und zu überlegen, wie der Bestand fortgeschrieben werden kann, um einen Abriss zu vermeiden.
Eine digitale Strategie stellt die App „Urban Blockchain“ dar, die ebenfalls in der Ausstellung vorgestellt wurde. Freiräume und Leerstände in Gebäuden können darüber katalogisiert, Häuser und ganze Häuserblocks verbunden und miteinander vernetzt werden. Ziel der App ist es, mit Hilfe der Digitalisierung bestehende Räume effizienter zu nutzen und somit weiteren Flächenverbrauch zu vermeiden.
Weitere Strategien beschäftigten sich beispielsweise mit der Sensibilisierung für Bestandsgebäude mit ihren „Ecken und Kanten“, alltäglichen Abnutzungen und Gebrauchsspuren – um bewusster wahrzunehmen und wertzuschätzen. Und darüber dann ins Handeln zu kommen. Denn, „Bestand ist Handlung“, wie es in der vierten Strategie heißt. Der Bestand müsse sich laut Laura Holzberg zu eigen gemacht werden, der Fokus auf dem Ausprobieren und Experimentieren liegen. Das kann über verschiedene „Zwischennutzungen“ erfolgen, also über vorübergehende Nutzungen von Gebäuden, um zu sehen, was funktionieren kann.
Eine umfassende Strategie wurde von Architekt Eike Roswag-Klinge in dem Doku-Film „Einfach umbauen – einfach transformieren“ vorgestellt. Darin zeigt er, wie wichtig es ist, bestehende Gebäude und Areale mit kreativen Mitteln auf ressourcenschonende Weise umzuwandeln und an neue Bedürfnisse anzupassen. Dies sei laut Roswag-Klinge, der „Kern der Entwicklung des zukünftigen Bauens in Deutschland“. Er erklärt darin außerdem, wie dies mit Naturbaustoffen und Low-Tech-Konzepten auf einfache Weise möglich ist – und dass dieses Transformieren und Nach-vorne-Schreiten auch sehr viel Freude machen könne. „Es muss nicht nur Angst sein.“ Angesichts der jungen Generation habe Eike Roswag-Klinge sehr große Hoffnung.
Es muss nicht nur Angst sein.
Prof. Eike Roswag-Klinge, Natural Building Lab
Strategie 7 und 8 beschäftigten sich zum einen mit der Nutzung von Industrie- und Gewerbegebieten für neue Arbeits- und Wohnformen und zum anderen mit der Wiederbelebung von Ortskernen. „Aus Donuts müssen Krapfen werden“ bezeichnet den Gedanken, Leerstand in Stadt- und Dorfzentren (das Loch in der Mitte des Donuts) wieder zu reaktivieren und gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung Zukunftsbilder zu entwickeln und Begegnungen im öffentlichen Raum zu schaffen, um die Zentren wieder attraktiv zu machen.
Die letzten beiden Strategien griffen das Thema des Neubaus auf. Ein Bau sollte immer als Rohstofflager für die Zukunft gesehen werden und entsprechend sortenrein und rückbaufähig sein. Die Materialien sollten biologisch sein und so verbaut werden, dass sie unkompliziert wiederverwendet werden können. Der „Bestand von heute ist auch der Bestand von morgen“, so Laura Holzberg. Entsprechend wichtig sei die Transformations- und Anpassungsfähigkeit und die Naturbelassenheit der Rohstoffe.
Ein greifbares Beispiel dafür war auch in der Ausstellung zu finden: Sitzhocker aus Mycelium – ein wachsender Schaumpilz, der als Wärmedämmung und Schallschutz im Wohnungsbau Verwendung findet. Oder eben als Sitzgelegenheit. Wie Bauen nachhaltig funktioniert – das zeigt die Natur. Die „Zehn Strategien für die Architektur“ sind wertvolle Wegweiser in ebendiese Richtung.
Text: Marit Albrecht
Fotos: © Bricks Don’t Lie, Marit Albrecht
Wir haben mit dem wohl bekanntesten Rennstreckendesigner weltweit über die kulturellen Einflüsse in seinen Werken gesprochen.
Im Kolumnenbeitrag zum Thema Zwischennutzung hebt Sofia Ceylan die Bedeutung von unkonventionellen, kreativen und unterschiedlichen Nutzungen von (leerstehenden) Gebäuden hervor. Die Autorin ist Teil von TOMAS –Transformation of Material and Space, einer „sozialverträglichen Architekturunternehmung“.