Das Abitur in der Tasche und ab damit zur nächsten Uni, um sich für Architektur einzuschreiben – ganz so einfach geht es meistens nicht. Was es zum Architekt-Werden braucht, das hat uns Dennis Scholer erzählt, ein junger Architekt aus Bitburg.
Was tun, wenn ein reißender Fluss oder eine Schlucht den Weg versperrt, ein Umweg jedoch unter Umständen eine lange Prozedur durch unwegsames, gefährliches Gelände nach sich zieht? Vor dieser Problemstellung standen bereits die Australopithecinen (Vormenschen) und behalfen sich bei kleineren Hindernissen mit umgestürzten Bäumen oder Lianen. Bei größeren zu überwindenden Distanzen stieß dieser Behelf jedoch schnell an seine Grenzen. Mit zunehmender Entwicklung der geistigen Kapazitäten fand der Mensch jedoch schnell praktikablere Lösungen für das Überqueren einer naturgegebenen Barriere. Lösungen, die wir heute als Brücken bezeichnen.
Besonders Hängebrücken gehören zu den ältesten verwendeten Brückentypen und ermöglichten es, für damalige Verhältnisse sehr große Distanzen zu überwinden. Die Überlegung zu dieser Brückenkonstruktion war im Grunde genommen recht simpel. Wenn es möglich war, ein Seil von Punkt A nach Punkt B zu spannen, warum dann nicht gleich zwei parallele Seile spannen und diese mit Querhölzern verbinden? Eine normale Balkenbrücke funktionierte ja genauso. Dazu noch je zwei parallele Seile, die als „Geländer“ dienten und schon stand eine, zwar immer noch wackelige, aber grundsätzlich stabile Brückenkonstruktion, die im asiatischen und südamerikanischen Raum bereits 2000 vor Christus zur Anwendung kam. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass in den tropischen Regionen die Verwendung von Lianen, Hanf und Ranken sehr gebräuchlich war, während im europäischen Raum im Schwerpunkt mit Holz und Stein gearbeitet wurde. Diese starren, auf Druck belastbaren Materialien waren jedoch nicht für das Prinzip der Hängebrücke geeignet, sodass sich die Entwicklung auf dem europäischen und nordamerikanischen Festland mehr in Richtung Bogenbrücken verlagerte. Zu diesen äußerst langlebigen Vertretern gehört auch die Rundbogenbrücke „Pons Fabricius“, die älteste erhaltene Brücke Roms, die bereits 62 vor Christus errichtet wurde und immer noch treu ihre Funktion erfüllt.
Schon früh in der Entwicklung der Hängebrücken bestanden diese nicht mehr nur aus zwei Seilen, die zwei gegenüberliegende Punkte verbanden, sondern es wurde mit im Boden verankerten Stützpfeilern (Pylonen) gearbeitet, über die die Tragseile liefen, an deren Hängern wiederum das Brückendeck befestigt war. Die klassische Seilbrücke (ohne Pylone) konnte weder den Anforderungen an die notwendige Stabilität, die Traglast sowie die Fähigkeiten zum Überwinden größerer Distanzen gerecht werden. Auch wurden die klassischen Seile im Zuge der verbesserten Verarbeitung von Eisen durch Drahtseile (Kabelbrücken) oder Ketten ersetzt (Kettenbrücke). Erst dies ermöglichte den Bau von Hängebrücken, wie wir sie heute kennen. Eine weitere Methode beim Bau von Hängebrücken war die sogenannte Bandeisenbrücke, bei der statt eines Drahtseils oder einer Kette genietete Metallstreifen verwendet wurden. Diese Form des Brückenbaus konnte sich jedoch nicht weiter durchsetzen, hinterließ aber eine der schönsten Brücken des Freistaats Sachsen, das „Blaue Wunder“ in Dresden, welches von 1891 bis 1893 errichtet wurde und weiterhin die Stadteile Blasewitz und Loschwitz verbindet.
Lange Zeit wurde im Hängebrückenbau sowohl mit Drahtseil- als auch Kettenkonstruktionen experimentiert und die jeweiligen Technologien weiterentwickelt. Beide Brückenbaumethoden hatten ihre Vor- und Nachteile. Bei Drahtseilbrücken stellte sich besonders die eintretende Korrosion durch Witterungseinflüsse als Problempunkt heraus. Die Augenstäbe bzw. Ketten einer Kettenbrücke konnte man mit einem regelmäßigen Schutzanstrich versehen, an die innenliegenden, gewundenen Stränge eines Drahtseils kam man jedoch nicht mehr heran. Diese mussten somit im Rahmen von Wartungsarbeiten häufiger ersetzt werden. Um zu erkennen, worin die Probleme beim Bau einer Kettenbrücke lagen, muss man wissen, dass der Begriff „Kette“ irreführend ist, da schon in der Anfangszeit des Brückenbaus keine echten Ketten, sondern massive Eisenstäbe (Augenstäbe) bzw. Flacheisen verwendet wurde. Durch ihre Abmaße und ihr Gewicht verursachten sie nicht nur logistische Probleme, sondern auch sehr hohe Kosten bei der Montage, ganz zu schweigen von einhergehenden Unfallrisiken durch die Arbeit mit schwerem Material und Maschinen.
Eine der bekanntesten Kettenbrücken war und ist die 1894 eingeweihte, legendäre Tower Bridge in London. Sie markierte die Blütezeit dieser Bauform, die mit dem Bau der Wiener Reichsbrücke und der Krimbrücke in Moskau aufgrund der genannten Probleme ihren Ausklang fand. Dass sich die Drahtseilbrücke am Ende durchsetzen konnte, verdankte sie 1834 dem später mehrfach verbesserten Luftspinnverfahren, welches die Montage der Drahtseile stark erleichterte und deutlich größere Spannweiten ermöglichte. Dies bewies die 486 Meter lange, 1883 fertig gestellte Brooklyn Bridge in New York eindrucksvoll. Sie übertraf zu diesem Zeitpunkt alles, was eine Kettenbrücke je erreichen würde. Die damals längste und höchste Hängebrücke der Welt wurde übrigens von dem aus Deutschland emigrierten Ingenieur Johann August Röbling entworfen. Auch in den Folgejahren machten die Vereinigten Staaten beim Brückenbau von sich reden. Die wohl bekannteste Brücke der Welt – die Golden Gate Brigde – wurde 1939 in Kalifornien für den Verkehr freigegeben und trumpfte nicht nur mit einer Spannweite von 1.280 Metern auf, sondern war damals auch die erste Hängebrücke mit nur zwei Tragkabeln pro Seite.
Während in Deutschland mit 500 Metern Spannweite das Ende der Fahnenstange erreicht war (Rheinbrücke Emmerich), ging es vor allem im asiatischen Raum weiter mit großen Schritten voran und ein Superlativ ersetzte den nächsten. Lange Zeit war die Akashi-Kaikyō-Brücke in Japan mit 1.991 Metern Spannweite das Maß aller Dinge im Bau von Drahtseilbrücken. Erst in diesem Jahr, im März 2022, wurde sie von der Çanakkale-1915-Brücke in der Türkei überboten. Mit 2.023 Metern Spannweite und 3.869 Metern Gesamtlänge ist sie die längste Hängebrücke der Welt. Die Spannweite von 2.023 Metern ist dabei keine zufällige Größe, sondern spielt auf die Gründung der Türkei im Jahre 1923 und die Jahrhundertfeier im Jahr 2023 an. Verkehrstechnisch ist die Çanakkale-1915-Brücke von großer Bedeutung – nicht nur für die Türkei, sondern den gesamten Autoverkehr zwischen Europa und Asien. Umso erstaunlicher, dass eine Brücke, über die sich pro Tag rund 120.000 Fahrzeuge bewegen, kurzerhand für ein Radsportevent komplett gesperrt werden kann. Dies geschah im Mai 2022 im Rahmen der 57. Presidential Cycling Tour (kurz: Tour of Türkiye). Für den Autor, der dieses Rennen als Journalist begleitete, war es eine surreale Erfahrung, alleine auf dem Mittelstreifen dieser gigantischen Brücke zu stehen und auf die ersten Fahrer und das nachfolgende Peloton (Hauptfeld) zu warten.
In diesem Augenblick möchte man nicht daran denken, dass Hängebrücken durch ihre schwebende Fahrbahn lange Zeit sehr anfällig für Stürme und Erdbeben waren. Einem Erdbeben fiel zum Beispiel 1989 die Oakland Bay Bridge (USA), eine doppelstöckige Hängebrücke, zum Opfer, während 1940 die Tacoma-Narrows-Brücke (ebenfalls USA) durch heftige Stürme zum Einsturz gebracht wurde. Konstruktionsfehler und menschliches Versagen (Instandhaltungsrückstau, Kommunikationsfehler) führten erst jüngst, im Jahre 2018, zum Einsturz des Polcevera-Viaduktes, einer Schrägseilbrücke in Genua, Italien. Unabhängig dessen ist das Konzept der Hängebrücke in punkto Sicherheit keinem anderen Brückenbautyp unterlegen. Ab einer gewissen Größenordnung ist kein Bauwerk der Welt zu 100 Prozent vor Baumängeln, menschlichem Versagen und Naturkatastrophen sicher.
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Text: Stefan Mothes
Titelbild: Çanakkale-1915-Brücke, Türkei © Shutterstock
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