05-2023
05-2023

Innovationsbaukasten — Wie modulares Bauen die Baubranche verändert

Modulares Bauen, oft auch serielles Bauen genannt, ist ein Bauverfahren, bei dem vorgefertigte Bauteile (Module) im Werk hergestellt und als Schwertransporte zur Baustelle transportiert werden. Was den Modulbau auszeichnet, welche Arten es gibt und wo er Anwendung findet – wir haben nachgeforscht.

Module – einzelne, vorgefertigte Bauteile – sind das Herzstück der gleichnamigen Bauweise. Nachdem die Module vorab im Werk gefertigt werden, werden sie anschließend auf die Baustelle geliefert und dort montiert beziehungsweise mit anderen Modulen und Fassadenelementen verbunden. Ein Modul selbst besteht aus Wänden, Decken und Böden und kann je nach Verwendungszweck unterschiedliche Abmessungen und Ausstattungen haben. Dies geht bis hin zur „schlüsselfertigen“ Bauweise, bei der Fenster, Türen, Bodenbeläge und alle Installationen bereits enthalten sind. Auf diese Weise können unterschiedlichste Objektgrößen und Raumaufteilungen nach dem Baukastenprinzip realisiert werden. Das modulare Bauen hat in den letzten Jahren in Deutschland, aber auch in anderen Ländern wie den USA und Großbritannien, an Popularität gewonnen. In Deutschland wird es zunehmend als nachhaltige Alternative zum traditionellen Bauen angesehen. Viele Unternehmen haben sich bereits auf den Modulbau spezialisiert und bieten Konzepte für Wohnhäuser, Bürogebäude, Schulen und Kindergärten an. Auch im sozialen Wohnungsbau finden sich zunehmend modulare Lösungen. Modulares Bauen bietet viele Vorteile und ist in seiner heutigen Form nicht mehr mit der Plattenbauweise der ehemaligen DDR und der Ostblockstaaten vergleichbar.

Bauweisen beim modularen Bauen

Im Modulbau gibt es verschiedene Bauweisen, die je nach Anwendungsbereich eingesetzt werden können:

– Beim „Raumzellenmodul“ werden komplette Räume als Module vorgefertigt. Dabei können unterschiedliche Raumgrößen und Raumformen hergestellt werden. Die Raumzellenmodule werden dann auf der Baustelle zu einem fertigen Gebäude zusammengesetzt. 

– Beim „Skelettmodul“ werden die tragenden Konstruktionen aus Stahl oder Holz vorgefertigt und auf der Baustelle zu einem Skelett zusammengesetzt. Anschließend werden die Wand- und Deckenmodule in das Skelett eingesetzt und miteinander verbunden.

– Beim „Hybridmodul“ werden verschiedene Bauweisen miteinander kombiniert. So kann zum Beispiel ein Stahlskelett mit Wandmodulen aus Holz kombiniert werden.

– Beim „Containermodul“ werden Container als Module verwendet, die dann zu einem Gebäude zusammengefügt werden. Containermodule eignen sich besonders für temporäre Lösungen, z.B. für Baustellenbüros oder als Übergangslösung für Schulen und Kindergärten.

Innerhalb der ersten drei Bauweisen kann mit Stahl, Stahlbeton oder Holz gearbeitet werden. Welche Bauweise gewählt wird, hängt von verschiedenen Faktoren wie dem Einsatzgebiet, dem Zeit- und Kostenrahmen und den individuellen Anforderungen des Bauherrn ab.

Wingertschule Dreieich © Norbert Miguletz Fotografie

Wingertschule Dreieich © Norbert Miguletz Fotografie

Anwendungsbereiche von modularem Bauen

Modulares Bauen bietet viele Möglichkeiten und wird in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt. Im Wohnungsbau sind vorgefertigte Wohnmodule besonders beliebt. Sie ermöglichen eine schnelle und kostengünstige Errichtung von Wohnhäusern und bieten eine flexible Alternative zur traditionellen Bauweise. Auch im Gewerbebau erfreut sich die Modulbauweise zunehmender Beliebtheit. Vorgefertigte Büromodule oder Lagerhallen lassen sich in kurzer Zeit errichten, was besonders für schnell expandierende Unternehmen von Vorteil ist. Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet des Modulbaus ist der Eventbau. Für Messen, Ausstellungen oder temporäre Veranstaltungen werden häufig temporäre Gebäude benötigt, die schnell und kostengünstig errichtet werden können. Modulgebäude bieten hier eine effiziente Lösung, da sie schnell auf- und abgebaut werden können und somit flexibel einsetzbar sind. Darüber hinaus gibt es auch Anwendungen im Bildungsbereich, wie z. B. Schulen oder Kindergärten, wo der Modulbau ebenfalls eingesetzt werden kann, um schnell und kostengünstig zusätzliche Kapazitäten zu schaffen.

Vorteile von modularem Bauen

– Schnellere und exakt planbare Bauzeit: Das modulare Bauen kann die Bauzeit erheblich verkürzen, da die Module in einer Fabrik vorgefertigt werden und dann einfach vor Ort zusammengesetzt werden müssen. Dies garantiert auf den Tag genau planbare Fertigungszeiten.

– Entlastung der Anwohner: Durch Vorfertigung der Module und eine kürzere Bauzeit sind Anwohner im Umfeld der Baustelle weniger Lärm und sonstigen Einschränkungen ausgesetzt.

– Geringere Kosten: Durch die Verwendung von standardisierten Modulen können die Materialkosten, die Personalkosten und die Kosten für die Sicherung und Überwachung der Baustelle gesenkt werden, was zu geringeren Gesamtbaukosten führt.

– Höhere Qualität: Da die Module in einer kontrollierten Umgebung hergestellt werden, können sie eine höhere Qualität aufweisen als traditionell errichtete Gebäude. Diese sind während der Bauzeit oft über einen langen Zeitraum den Witterungsbedingungen ausgesetzt.

– Flexibilität: Modulare Gebäude können leicht erweitert, umgebaut oder demontiert werden, was eine höhere Flexibilität für zukünftige Änderungen und Erweiterungen ermöglicht. Gerade wenn im Massivbau statisch keine Aufstockung möglich ist, punktet die leichtere Modulbauweise.

– Nachhaltigkeit: Da modulare Gebäude vorgefertigt werden, gibt es weniger Materialverschwendung auf der Baustelle. Darüber hinaus können modulare Gebäude leicht demontiert und wiederverwendet oder recycelt werden, was zu einer geringeren Umweltbelastung führt. Zudem können Module auch komplett umgenutzt werden. So kann z. B. aus einem alten OP-Modul durch Rück- und Umbau eine Kita entstehen.

– Bessere Energieeffizienz: Modulare Gebäude können leicht mit energieeffizienten Materialien und Technologien ausgestattet werden, was zu geringeren Energiekosten und einer geringeren Umweltbelastung führt.

Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck, Darmstadt © Jens Lyncker

Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck, Darmstadt © Jens Lyncker

Nachteile von modularem Bauen

– Modulares Bauen ist nicht für jedes Bauvorhaben geeignet. Insbesondere bei komplexen Gebäuden mit vielen Ecken und Winkeln stößt diese Bauweise an ihre Grenzen.

– Änderungen während des Bauprozesses können aufwendig und teuer sein, da die Module bereits im Werk hergestellt wurden. 

– Durch die notwendige Anlieferung per Schwertransport kann es aufgrund der örtlichen Gegebenheiten im Umfeld der Baustelle (enge Straßen, Brücken, Wohngebiete, Wendekreise) passieren, dass die Anlieferung der Module von vornherein nicht möglich ist. Zudem ist zu beachten, dass Modulelemente aufgrund von Transportbeschränkungen nur eine begrenzte Größe haben dürfen.

– Bei der modularen Bauweise fallen hohe Nebenkosten an, z. B. durch Transport- und Kranmieten, Straßensperrungen, längere Umleitungen durch nicht geeignete Zufahrtswege, Nachttransporte, Polizei, Sicherheitsdienste.

Anwendungsbeispiele

Ein anschauliches Beispiel für das Potenzial des modularen Bauens ist das internationale Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck in Darmstadt. Das moderne Bürogebäude wurde in einer Bauzeit von sieben Monaten errichtet und bietet auf insgesamt 10.000 Quadratmetern Fläche Platz für bis zu 500 Mitarbeiter. Durch die parallelen Arbeiten vor Ort und im Werk konnte der komplexe Neubau innerhalb von sieben Monaten Bauzeit realisiert werden. 64 Module mit bis zu 15,4 m Länge, 4,6 m Breite und 4,5 m Höhe wurden hierfür eingesetzt. Die Architektur hat sich die Modulbauweise bei dem Bauvorhaben zunutze gemacht und die Kubatur durch die versetzte Überlagerung der Module stilistisch hervorgehoben. Die statische Herausforderung bestand dabei in dem Aufsetzen des zweiten Stockwerks mit einer Auskragung der Module von bis zu drei Metern über das Erdgeschoss hinaus. Auf Wunsch kamen die eigenen Materialien des Bauherrn in der Realisierung des Projektes zum Einsatz. Farbstoffsolarzellen zur Energieerzeugung, smarte Fenstergläser mit Licrivision-Technologie und individuell, stufenlos einstellbare Sonnenschutzgläser wurden in die Module integriert.

Ebenso beeindruckend sind die beiden Bürokomplexe des Software-Riesen SAP in Walldorf und in St. Leon-Rot, die mit einer Bruttogesamtfläche von ca. 20.000 Quadratmetern Platz für mehr als 800 Arbeitsplätze bieten. Die Architekten setzten bei der äußeren Gestaltung auf die Kubatur als Designelement, verkleidet mit einer hochmodernen Lochblechfassade. Die größten Raumzellen, die bei diesem Projekt zum Einsatz kamen, sind bis zu fünf Meter breit, 20 Meter lang und 4,5 Meter hoch. Insgesamt wurden an den beiden Standorten 455 Module verbaut, die Bauzeit betrug je neun Monate.

SAP Bürokomplex, Walldorf © Zooey Braun/SCOPE Architekten

SAP Bürokomplex, Walldorf © Zooey Braun/SCOPE Architekten

Ein weiteres Projekt, das die Vorzüge des modularen Bauens verdeutlicht, ist die Wingertschule Dreieich, dessen Bestandsgebäude mit insgesamt 33 Modulen erweitert wurden. Dabei entstand ein moderner, neu gestalteter Schulkomplex mit interessanten architektonischen Besonderheiten, wie der Auskragung des oberen Stockwerks neben dem Haupteingang. Das Bestandsgebäude – bestehend aus einzelnen Pavillons – wurde durch den Erweiterungsbau zusammengeführt und um eine zweigeschossige Pausenhalle, Verbindungsflure, Mensa, Küche und darüberliegende Klassenräume ergänzt. So entstand in der kurzen Zeit von vier Monaten, die für die Fertigstellung der modularen Erweiterung benötigt wurden, mehr Platz für Lernen und Lehren in einer schönen Atmosphäre. Die Modulbauweise ermöglichte eine schnelle Errichtung des Gebäudes und minimierte die Beeinträchtigung des Schulbetriebs während der Bauphase. Auch hier konnte auf individuelle Bedürfnisse der Schule Rücksicht genommen werden.

Das Innovationszentrum Merck, die Bürokomplexe von SAP und die Wingertschule Dreieich zeigen deutlich, wie das modulare Bauen genutzt werden kann, um individuelle Gestaltungswünsche umzusetzen und gleichzeitig eine schnelle und effiziente Montage auf der Baustelle zu ermöglichen. Dabei ist das modulare Bauen auch im Bildungsbereich eine interessante Option, um flexible Raumlösungen zu schaffen und individuelle Anpassungen an die Bedürfnisse von Schulen und Bildungseinrichtungen vorzunehmen. 

Alle drei Projekte wurden von der Firma ADK Modulraum GmbH mit Sitz in Neresheim (Baden-Württemberg) realisiert. Das Unternehmen ist einer der marktführenden Hersteller von Gebäuden in modularer Bauweise. Seit 2004 werden u. a. Krankenhäuser, Labore, Verwaltungsgebäude, Schulen, Hotels und Botschaften im Werk Neresheim produziert. Das Unternehmen beschäftigt ca. 300 Mitarbeiter und ist weltweit tätig. Dass sich serielles Bauen und individuelle Gestaltung nicht grundsätzlich ausschließen, beweist das modulare Bausystem von ADK. Ohne Rastermaße und Höhenbeschränkungen ermöglicht der Modulbau eine praktisch frei wählbare Raumgestaltung.


Text: Stefan Mothes

Titelbild: Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck, Darmstadt / Foto: © Jens Lyncker