Auf der Zielgeraden — die ehemalige Schokoladenfabrik, die zum Familienzentraum umgebaut wird, nimmt trotz Materialengpässen und Preissteigerungen immer mehr Gestalt an. Wir zeigen den Baufortschritt in Bildern.
Der Berliner Architekt Max Schwitalla sieht sich selbst als crossmedial und interdisziplinär arbeitenden Stadtdesigner. Die Entwürfe seines Studios provozieren und fordern heraus, Stadt ganz neu zu denken. Seine Leidenschaft für Architektur und Stadtplanung entwickelte sich über den Sport und die Bewegung im urbanen Raum. Wie es dazu kam? Wir stellen den gebürtigen Tübinger und seine Geschichte vor.
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Lässig, offen, neugierig – unser Interview mit Max Schwitalla gleicht eher einem Gespräch unter alten Bekannten. Vom stolzen Architekten, der sich in seinen Ausführungen über die eigenen Projekte verliert, keine Spur. Unser Gespräch auf Augenhöhe macht schnell Schwitallas Lebens- und Arbeitsmotto deutlich: sich vernetzen, ins Gespräch kommen, über den eigenen Horizont hinausblicken. Nicht im eigenen „Architekturzirkel“ zu verharren, sondern den Blick nach außen zu richten, sich Informationen und Inspiration aus anderen Branchen zu holen – das ist für den Wahlberliner besonders wichtig und prägt seine Arbeit über die verschiedenen Branchengrenzen hinweg.
Sein Interesse für das Gegensätzliche und Vielseitige fand schon früh seinen Ausdruck. Die Leistungskurse Mathematik und Kunst kombinierten seine Begeisterung für das Logische und das Kreative. Kunst und Architektur seien auch bei seinen Eltern immer präsent gewesen. „Im Urlaub musste jede Kirche von außen und von innen angeschaut werden, das hat einen schon geprägt“, zeigt sich Schwitalla dankbar. In Stadt und Architektur habe er sich schließlich über das Skateboardfahren verliebt. „Diese Ambivalenz von Immobilität und Mobilität fand ich immer spannend! Wie sich diese Gegensätze inspirieren, gegenseitig bestimmen und bereichern können.“ Während des Studiums an der Universität Stuttgart und der ETH Zürich habe er sich bereits mit „Achterbahnideen für Hochhäuser“ und ganz neuen Flughafenkonzepten auseinandergesetzt. Das Thema Mobilität habe für ihn immer eine große Rolle gespielt.
Nach seiner Zeit als Intern bei Rem Koolhaas in Rotterdam und New York folgten nach dem Diplom 2006 verschiedene Jobs in Büros weltweit, darunter bei GRAFT und HENN. Seine Projekte führten Schwitalla häufig nach China. Eine Zeit, die ihn sehr geprägt habe und viel Neues bereithielt. Seine Fragen, wie man Stadt ganz neu denken kann, wie sich Mobilität und Bewegung in der Stadt zukünftig verändern können und wie Stadt lebenswerter werden kann, blieben. Daraus entwickelte sich auch der Ansatz für die Gründung seines eigenen Büros. „Ich wollte kein Architekt werden, der ein Haus nach dem anderen baut. Mit Anfang 30 habe ich meine ursprüngliche Leidenschaft für das Thema Mobilität wieder aufgegriffen.“
Wir müssen über die Art Stadt nachdenken, die wir tagtäglich bauen.
Max Schwitalla, Architekt und Mobilitätsexperte
Inspiriert vom Thinktank-bezogenen Arbeiten bei OMA unter Koolhaas stellte sich Schwitalla selbst die Frage: Wie können wir uns konzeptionell und denkfabrikmäßig mit Architektur und der Stadt der Zukunft beschäftigen? 2012 gründete er schließlich das Studio Schwitalla – ein heute vierköpfiges, internationales Team mit Sitz in Berlin. Für die Gründung habe es laut Schwitalla mehr Rückenwind als Gegenwind gegeben. „Wenn man für etwas brennt, dann hat man eigentlich keine andere Wahl, als es auszuprobieren. Der Weg zurück in den Job wird durch das Ausprobieren und die neuen Erfahrungen eher begünstigt als verstellt.“
Ausschlaggebend für die Gründung des Büros war laut Schwitalla auch die Erkenntnis, dass man als Architekt immer „am Ende der Nahrungskette“ stehe. „Wir führen die Dinge von anderen aus, aber es werden so viele Entscheidungen getroffen, bevor wir in den Planungsprozess einbezogen werden.“ Seine hinterfragende Denkweise und proaktive Herangehensweise habe er an der Uni, vielmehr aber noch bei Rem Koolhaas in der Praxis, gelernt. „Wir müssen Denkweisen aufbrechen.“
Wenn man für etwas brennt, dann hat man keine andere Wahl, als es auszuprobieren.
Max Schwitalla, Architekt und Mobilitätsexperte
Wenn Schwitalla Architekturprofessor wäre, würde er den Studierenden mit auf den Weg geben wollen: „Lasst uns Aufgaben selber definieren, weil wir glauben, dass sie wichtig sind, und lasst uns dann die richtigen Gesprächspartner dafür finden.“ Man müsse proaktiv sein, seinen Ideen nachgehen und gezielt Kooperationspartner suchen – und die interdisziplinare Zusammenarbeit fördern, betont Schwitalla. Mit seinen Ideen und Ansätzen habe er früh Kooperationen mit Industriepartnern eingehen können. „Wir waren mit den richtigen Ideen zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, erklärt er. Berlin sei damals im Aufbruch gewesen und stellte ein spannendes Milieu für ihn und seinen frühen Mitstreiter Sergey Prokofyev dar, der im Bereich Medien schon damals sehr innovativ gearbeitet hat, so der 42-Jährige. In seiner Freizeit bewegt sich Max Schwitalla gern zur Musik. „Beim Tanzen kann ich so richtig auftanken.“
Auf die Frage, ob er mit seinen Ideen eine Art Vorreiterrolle in der Branche eingenommen habe, antwortet Schwitalla indirekt. „Es braucht eine gewisse Unbefangenheit, wenn man Dinge wirklich anders denken will. Architekten nehmen sich selbst ja immer gern sehr ernst. Es braucht aber eine Haltung, wo man sich selber nicht so ernst nimmt, dann kann man seine Arbeit ernster nehmen und auch stärker in Frage stellen.“ Er plädiert dafür, Ideen einfach „auf den Tisch zu legen“, ohne sich zu viele Sorgen zu machen, ob diese belächelt würden. Viel wichtiger sei, über die Art Stadt nachzudenken, die wir tagtäglich bauen und die laut Schwitalla „gerade in den Wachstumsmärkten nicht besonders menschengerecht ist“.
Der Entwurfsleitfaden seines eigenen Studios besagt:
Studio Schwitalla beschäftigt sich mit der Frage, wie durch zukünftige Mobilität lebenswertere Städte entstehen können: Über alle Maßstäbe hinweg, von Stadt zu Quartier und Architektur, soll der Erschließungsraum zum sozialen Begegnungsraum werden, in dem Menschen zusammenkommen können und wo soziale Interaktion stattfinden kann.
Mit den Entwürfen, Bildern und Animationen seines Studios will der Wahlberliner provozieren, inspirieren und Diskussionen anregen. Und: „Wir müssen mit der nächsten Generation ins Gespräch kommen“, ist Schwitalla überzeugt, um die städtebaulichen Herausforderungen der Zukunft meistern zu können.
Welche Herausforderungen das sind und welche Ideen und Visionen Max Schwitalla für die Stadt der Zukunft hat, lest ihr im Beitrag „Wir bauen tagtäglich Stadt, die furchtbar unmenschlich ist!“ – Wie sich die Architektur in Zukunft ändern muss.
Text: Marit Albrecht
Titelfoto: © Valeria Petkova
Renderings: © Studio Schwitalla
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