Eine Baustelle muss gut organisiert sein, sonst entsteht bei aller Expertise Chaos. Wir haben dem belgischen Projektleiter François Lafontaine über die Schulter geschaut, wie er seine Projekte managed.
„Kunst am Bau“, auch bekannt als „Baubezogene Kunst“ oder „Kunst im öffentlichen Raum“, bezeichnet die Integration von Kunstwerken in architektonische Projekte. Dieser Ansatz hat in den letzten Jahrzehnten weltweit an Bedeutung gewonnen und bietet Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke in den öffentlichen Raum zu bringen und mit der gebauten Umgebung zu interagieren.
Ein wesentlicher Aspekt der Kunst am Bau ist es, die architektonischen Besonderheiten eines Gebäudes oder öffentlichen Raums zu berücksichtigen und die Kunstwerke in den Kontext zu integrieren. Dies kann in Form von Skulpturen, Wandmalereien, Installationen, Lichtkunst oder anderen Ausdrucksformen geschehen. Kunst am Bau kann das Design eines Gebäudes ergänzen, den Raum beleben oder eine Erzählung über die Geschichte, Kultur oder den Zweck des Ortes schaffen.
Die Praxis der Kunst am Bau hat eine lange Geschichte und wurzelt in der Idee, dass Kunst nicht nur in abgeschlossenen Galerien oder Museen existieren sollte, sondern auch im Alltag der Menschen präsent sein kann. Seit dem frühen 20. Jahrhundert sind Künstlerinnen und Künstler vermehrt dazu übergegangen, Kunstwerke in die Gestaltung von öffentlichen Gebäuden, Plätzen und sogar Infrastrukturen wie Brücken und U-Bahnen einzubeziehen.
In der Nürnberger Innenstadt findet sich ein eindrückliches Beispiel. Der israelische Künstler Dani Karavan hat dort im Rahmen der Erweiterung des Germanischen Nationalmuseums die 1993 eröffnete „Straße der Menschenrechte“ geschaffen: eine begehbare Gedenkstätte und Kunstwerk zugleich. Mit einer Höhe von jeweils acht Metern säumen dort 27 Betonpfeiler, versehen mit Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die Gasse.
Aktueller ist die 18 Tonnen schwere und 20 Meter lange Skulptur auf dem Gelände des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin. 2008 gewann der Düsseldorfer Bildhauer Stefan Sous damit den Wettbewerb Kunst am Bau. Der 2012 fertiggestellte monolithische Körper ohne Titel besteht aus Cortenstahl und soll als eigenständiges, fremd wirkendes Etwas indirekt auf die Funktion des BND hinweisen.
Die Verpflichtung zur Einbeziehung von Kunst am Bau in Deutschland geht bis ins Jahr 1950 zurück, als der Deutsche Bundestag beschloss, dass ein fester prozentualer Anteil der Bausumme bei allen Bundesbauten für Kunstwerke reserviert werden sollte. Kunst am Bau wird somit als integraler Bestandteil der öffentlichen Bauherrenaufgabe betrachtet. Die Kunstwerke sollen dabei einen eigenständigen künstlerischen Beitrag zur Bauaufgabe leisten und einen Bezug zur Architektur oder Funktion des Bauwerks herstellen.
Gesetzliche Regelungen spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung von Kunst am Bau. In Deutschland beispielsweise verlangt die „Richtlinie Kunst am Bau“, dass ein bestimmter Prozentsatz der Baukosten für Kunstwerke reserviert werden muss. Dadurch wird die Integration von Kunstwerken in öffentliche Bauprojekte gefördert und die Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Architekten und Auftraggebern unterstützt. Die gesetzlichen Bestimmungen umfassen die Durchführung von Wettbewerben, bei denen Künstler ihre Vorschläge einreichen können. Durch transparente Auswahlverfahren und die Einbindung von Fachjurys wird sichergestellt, dass Kunst am Bau von Anfang an in den Planungsprozess einbezogen wird.
Die gesetzlichen Verpflichtungen schaffen eine Plattform für Künstler, ihre kreative Vision im öffentlichen Raum umzusetzen und tragen zur Verbesserung der ästhetischen Qualität unserer Umgebung bei. Sie fördern die Vielfalt der Kunst und tragen dazu bei, dass verschiedene künstlerische Ansätze und Ausdrucksformen sichtbar werden. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen unterstützt nicht nur die künstlerische Freiheit und Kreativität, sondern auch die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst im öffentlichen Raum. Kunst am Bau wird so zu einer kraftvollen Form der Kommunikation, die unseren Alltag bereichert und den öffentlichen Raum zu einem inspirierenden Ort des kulturellen Austauschs macht.
Ergänzend und präzisierend wurde vom Bundesbauministerium im Jahr 2005 der Leitfaden Kunst am Bau entwickelt. Dieser Leitfaden dient als Leitlinie für alle Bauvorhaben im Geltungsbereich sowie für Baumaßnahmen des Bundes im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaftsmodelle. Der Leitfaden hat sich in der Praxis mehrfach bewährt und wird regelmäßig überarbeitet, um den rechtlichen, strukturellen und organisatorischen Veränderungen im Bundesbauwesen Rechnung zu tragen. Der 2012 aktualisierte Leitfaden verdeutlicht den Anspruch des Bundes als Bauherr, Baukultur zu fördern, und verknüpft ihn mit der Notwendigkeit qualifizierter und praktikabler Verfahren. Dies gilt sowohl für die Umsetzung neuer Kunst am Bau als auch für den verantwortungsvollen Umgang mit bereits vorhandener Kunst am Bau, die angemessen in Stand gehalten und dokumentiert werden sollte.
Eine Künstlerin, die im Bereich Kunst am Bau zahlreiche Projekte realisiert hat, ist die Dresdnerin Kerstin Franke-Gneuß. Nachfolgend einige Beispiele ihrer Arbeiten:
Woge: Eine 28 Meter lange Aluminium-Wandskulptur, beauftragt von der Stadtentwässerung Dresden, im Rahmen des Engagements der Dresdner Sezession 89 e. V. für Wasserwege (2005)
Aufwind: Eine 10 Meter hohe Acrylglas-Installation vor dem Kulturkaufhaus DAStietz in Chemnitz. Der Auftrag kam von der Neuen Sächsischen Galerie Chemnitz.
Tänzerin: Eine Acrylglas-Installation am Blauen Wunder in Dresden-Loschwitz, beauftragt vom Kunstverein Alte Feuerwache Loschwitz e. V. im Rahmen der Kunstaktion Parkour der Gegenwart 2018.
IUS _In manu dei: Ein zweiteiliges Wandrelief im Neubau des Amtsgerichts Dresden. Es erstreckt sich über einen Gang von 3,3 x 50 Metern in der 1. Etage. Der Auftrag kam vom Sächsischen Immobilien- und Baumanagement des Freistaates Sachsen im Jahr 2012.
Kaskade: Eine 7 Meter hohe Acrylglas-Wandskulptur im Innenhof des Görgesbaus an der Technischen Universität Dresden, beauftragt von den Universitätssammlungen Kunst + Technik der Kustodie der TU Dresden im Jahr 2003.
Trieb: Eine 9,5 Meter lange Acrylglas-Installation im Festspielhaus Dresden Hellerau aus dem Jahr 2010. Der Auftrag kam vom Neuen Sächsischen Kunstverein.
Kerstin Franke-Gneuß lässt sich bei ihren Werken von der architektonischen Gliederung inspirieren und entwickelt dabei künstlerische Ideen, die den Raum und seine Funktionalität zusammenfassen. Dabei berücksichtigt sie das Nutzungskonzept der jeweiligen Einrichtung.
Ebenfalls mit Kunst am Bau beschäftigt sich Eric Beier aus Dresden. Trotz einer Querschnittslähmung in Folge eines Unfalls nahm er nach einer Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter ein Kunststudium auf, um seiner wahren Leidenschaft nachzugehen. Seine Werke, die fehlerhafte Körper und die Auseinandersetzungen damit thematisieren, werden unter anderem im Rahmen von „Kunst am Bau“-Ausstellungen präsentiert und bereichern öffentliche Räume mit einzigartigen künstlerischen Ausdrucksformen. Dazu zählt auch eine würfelförmige Installation im Stadtteil Dresden-Cotta, die Eric Beier für die CG-Gruppe plante und umsetzte (siehe Foto).
Ein weiterer erwähnenswerter Künstler ist der Berliner Michael Sailstorfer. Als renommierter Bildhauer und Installationskünstler hat er bereits für zahlreiche Kunst am Bau-Projekte gearbeitet. Eines seiner bemerkenswerten Werke ist die Skulptur „Knotenpunkt“ am ZOB Berlin (Zentraler Omnibusbahnhof). Bei dieser Installation handelt es sich um eine riesige, verschlungene Metallskulptur, die sich auf dem Dach eines Gebäudes befindet und durch ihre ungewöhnliche Form und Lage eine surreale Wirkung erzeugt.
Für die Bestimmung des Ortes und die Wahl des Materialeinsatzes bilden die historischen Bezüge, soziokulturelle Gegebenheiten und der Genius Loci die Grundlage für einen, von vielen Gesichtspunkten beeinflussten, Gestaltungsentwurf. Ihre Arbeitsweise beinhaltet eine gründliche Beschäftigung mit den Ausschreibungen und detaillierten Informationen zu den Standorten. Dazu zählen die Besichtigung der Orte beziehungsweise das Studium der Grundrisse und Aufrisse, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Neben dauerhaften Installationen hat Kerstin Franke-Gneuß auch temporäre Installationen an speziellen Orten umgesetzt. Die Künstlerin verwendet bei ihrer Arbeit eine Vielzahl von Materialien, farbbeschichtetes Aluminiumrohr, Acrylglas mit farbigen Pigmenten und Wandreliefs.
Die Realisierung eines Kunstwerks im öffentlichen Raum erfordert einen erheblichen Zeitaufwand. Die Umsetzung kann von einem halben Jahr bis hin zu mehreren Jahren dauern, wobei einige Projekte auch in kürzerer Zeit realisiert werden können. Die Finanzierung erfolgt durch festgelegte Mittel des Auftraggebers, in diesem Finanzrahmen muss das Werk samt Material, Transport, Montage, Statik, Genehmigungen, Büro, Bauleitung, Versicherung, Honorar und Mehrwertsteuer erstellt werden. In anderen Fällen ohne Auftrag erfolgte die Realisierung über Fördermittel oder Sponsoren.
Text: Stefan Mothes
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