Holz. Ein Baustoff der gefragter ist denn je. Das beweisen Trends, die „ökologische Schiene“, gezielte Kundenanfragen. Wir konnten mit einem Holzbaumeister sprechen, der sein Metier kennt wie kein Zweiter.
Klimaanpassung in Architektur und Städtebau — was macht unsere Städte resilient gegen Starkregen, Hitze und Trockenheit?
Spätestens seit dem Ahrtalhochwasser 2021 und dem Hochwasser in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs in diesem Jahr ist klar: Der Klimawandel ist nicht irgendwann, sondern jetzt und nicht irgendwo, sondern hier. Höchste Zeit, den Blick auf unsere Städte und Gebäude zu richten, also unseren unmittelbaren Lebensraum, um den Marathon der Klimaanpassung endlich zu starten.
Die Konzentration klimaschädlicher Gase in der Atmosphäre hat mittlerweile ein Niveau erreicht, das dafür sorgen wird, dass der Klimawandel, also steigende Temperaturen, noch Jahrzehnte weitergehen wird – im besten Fall mit abnehmender Dynamik. Die Reduktion klimaschädlicher Emissionen ist ein globales Thema, Klimaanpassung hingegen entfaltet ihre Wirkung vor Ort.
Erfreulich ist, dass viele Maßnahmen eine positive Wirkung in beide Richtungen ausüben und die Gefahr, dass das eine gegen das andere ausgespielt wird, überschaubar ist.
Für ein erträgliches Stadtklima, insbesondere während länger andauernder Hitzeperioden sind sogenannte Kaltluftschneisen von großer Bedeutung. Linienförmige, stark begrünte Flächen, die das Stadtzentrum mit dem grünen unbebauten Umland verbinden. Während versiegelte Flächen und Gebäude wie Wärmespeicher wirken, ist die Luft über Wiesen, Wäldern oder Wasserflächen um bis zu zehn Grad Celsius niedriger und kühlt nachts stärker aus. Gebäude dürfen diese Schneisen nicht verstellen!
Weniger grauer Beton, mehr lebendiges Grün, weniger Asphalt, mehr Vielfalt. So werden unsere Städte langfristig lebensfähig.
Dr. Eckhart von Hirschhausen
Unsere Städte sind außerdem viel zu stark versiegelt – wo immer möglich, muss Schritt für Schritt entsiegelt werden, dies auch zu Lasten von Stellplätzen im öffentlichen Raum. Städte wie Kopenhagen und Paris oder Barcelona setzen dies bereits konsequent um, mit großem Gewinn für die Qualität der betroffenen Straßen und Plätze. Straßenbäume spenden nicht nur Schatten, sondern wirken wie Klimaanlagen für den Außenraum. Ein ausgewachsener Laubbaum verdunstet bis zu 400 Liter Wasser an einem heißen Tag. Die sogenannte Verdunstungskühle ist besonders bei trockener Hitze sehr wirksam. Damit Straßenbäume allerdings genügend Wasser erhalten, darf das Regenwasser nicht wie bis dato möglichst schnell in der Kanalisation verschwinden, sondern sollte zum Beispiel in sogenannten Baumrigolen zurückgehalten werden, oder einfach die Möglichkeit haben, zu versickern, um der Vegetation länger zur Verfügung zu stehen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Schwammstadt-Prinzip. Hilfreich bei der Vermeidung von sogenannten Hitzeinseln sind zudem helle Fassaden, Platz- und Straßenbeläge – insbesondere, wenn sie massiv und steinern sind, da sie sich weniger aufheizen als dunkle Oberflächen und Beläge.
Auch der Arzt, Moderator und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen nahm das Thema Schwammstadt im ARD-Format „Wissen vor acht“ auf. In einem seiner Beiträge erklärte er die Wichtigkeit von Begrünungen und unasphaltierten Auslaufflächen in Städten. Als Vorzeigebeispiel nannte er die dänische Hauptstadt Kopenhagen. „Riesige Areale wurden gezielt zur Wasserspeicherung umgebaut und jedes neue Bauprojekt benötigt ein Wasserspeicherkonzept. So wird eine ganze Stadt zum Schwamm – bei Regen und Dürre“, erläuterte von Hirschhausen im Kurzfilm. Mit einer Prise Humor schließte er ab: „Bei Klimakrise und Extremwetterereignissen hilft also nicht Schwamm drüber, sondern Schwamm drunter. Weniger grauer Beton, mehr lebendiges Grün, weniger Asphalt, mehr Vielfalt. So werden unsere Städte langfristig lebensfähig.“
Wenn im stark verdichteten urbanen Raum kein Platz für Bäume ist, ist die Fassadenbegrünung ein geeignetes Mittel, um der Aufheizung entgegenzuwirken und Hitzeinseln abzuschwächen. Bei Neubauprojekten muss die Formel gelten: Der Fußabdruck der bebauten Fläche muss der „Natur“ in Form intensiv begrünter Dachflächen zurückgegeben werden. Die Ausbildung von Retentionsdächern muss die Regel werden, damit wird auch dem dringend notwendigen Regenwassermanagement Genüge getan. Die vollständige Überbauung von Grundstücken darf es nur noch in Ausnahmefällen geben. Der Anschluss an den gewachsenen Boden ermöglicht das Wachstum großer Bäume, die 100 Jahre oder länger ihre Wirkung entfalten.
Zum Thema Hochwasser nur in Kürze, wir alle haben die spektakulären Bilder vor Augen. Lokale Starkregenereignisse wird es vermehrt geben – wärmere Luft kann einfach mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die dann wieder abregnet. Jeder Haus- oder Wohnungsbesitzer sollte sich einen Moment lang vorstellen, was ist, wenn in der eigenen Straße das Wasser dreißig Zentimeter hoch steht oder die eigene Straße zum reißenden Bach wird. Übrigens auch die Entsiegelung der Garagenauffahrt oder des Vorgartens hilft dem Thema Schwammstadt.
Auf der Gebäudeebene müssen wir dem Thema Innenraumklima mehr Beachtung schenken. Wohnungen dürfen auch bei länger andauernden Hitzeperioden nicht überhitzen. Die Lösung kann nicht sein, dass wir in zehn oder zwanzig Jahren neben den Büros auch noch alle Wohnungen klimatisieren. Wir haben verlernt, Gebäudehüllen und Wohnungstypologien nach den physikalischen und natürlichen Gesetzmäßigkeiten zu konzipieren. Neben einem GEG-konformen Dämmstandard geht es um die Fensteranordnung bezogen auf die Himmelsrichtungen, Fenstergrößen und außenliegende Verschattungsmöglichkeiten. Durchgesteckte Wohnungen, also Wohnungen die an zwei gegenüberliegende Außenwände grenzen, lassen sich deutlich besser lüften, man spricht von der sogenannten Querlüftung. Wohngebäude aus massiven, schweren Bauteilen wirken bezogen auf das Innenraumklima wie Pufferspeicher. Jeder, der schon einmal an einem heißen Sommertag eine historische Kirche mit meterdickem Mauerwerk betreten hat, wird von einer angenehmen Kühle empfangen worden sein – ganz ohne Klimaanlage. Damit diese natürlichen Prinzipien funktionieren, ist neben der Bauweise das Nutzerverhalten von entscheidender Bedeutung. Unser Verhalten hat sich über Jahrzehnte zunehmend an der Maxime orientiert, dass sich mit Technik alle Planungs- und Verhaltensdefizite korrigieren lassen. Dass dies die Baukosten in die Höhe treibt und ein Übermaß an CO2 in Form von Abgasen für die Anlagen und graue Energie für die Herstellung der Baustoffe verursacht, hält erst seit Kurzem Einzug in unser Bewusstsein.
An dieser Stelle in aller Kürze: An sonnigen, heißen Tagen, wo vorhanden den außenliegenden Sonnenschutz (Rollläden, Screens oder Raffstores) konsequent herunterfahren und die Fenster nur zur Stoßlüftung kurz öffnen. Ist der Temperaturunterschied Tag/Nacht entsprechend groß, so lange wie möglich querlüften, um die speicherfähigen Oberflächen graduell herunterzukühlen. So gelingt es in unseren Breiten, die Innenraumtemperaturen über den Sommer weitgehend im angenehmen Korridor von 22 bis 26 Grad zu halten. Ich praktiziere dies selbst erfolgreich seit einigen Jahren und habe nicht vor, in den eigenen vier Wänden jemals eine Klimaanlage zu installieren. Bestenfalls langsam rotierende Deckenventilatoren, wie wir sie aus älteren Filmen kennen. Langsam bewegte Luft senkt die gefühlte Temperatur spürbar, ohne als Zugluft wahrgenommen zu werden.
Nicht die spektakulären, bilderproduzierenden Starkregenereignisse sind die größte Bedrohung für die Menschheit – es sind vielmehr die steigenden Temperaturen und langanhaltende Hitzeperioden.
Deren Folgen sind gravierende Gesundheitsrisiken, abnehmende Arbeitsproduktivität, Verlust von Biodiversität, zurückgehende Ernährungssicherheit, aber auch nie dagewesene Vermögensverluste. Die Konzepte für effiziente Klimaanpassungsmaßnahmen in Architektur und Städtebau sind bekannt, traurigerweise oft schon seit Jahrtausenden. Einige wenige konnte ich hier erläutern.
Am 1. Juli 2024 ist übrigens auch das Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG) in Kraft getreten. Viel zu tun für Bund, Länder und vor allem die Kommunen.
Wir können alle mitwirken – durch unser Verhalten und abertausende kleine und größere bauliche Maßnahmen. Weiter abwarten wäre verantwortungslos, wir müssen endlich ins MACHEN kommen.
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Dieser Text wurde von Gerhard Feldmeyer verfasst und gehört zur wiederkehrenden Reihe „Kolumne Gerhard Feldmeyer“. Gerhard G. Feldmeyer wurde 1956 geboren, studierte Architektur an der Universität Stuttgart und war über zwei Jahrzehnte Geschäftsführender Gesellschafter bei HPP Architekten. Seit Januar 2023 engagiert er sich als Botschafter der Madaster Foundation und ist Berater der Landmarken AG und deren Tochtergesellschaft Moringa GmbH im Bereich Real Estate Product Innovation. Er bezeichnet sich selbst als „Bauwende-Beschleuniger“ und ist regelmäßig als Speaker in Sachen „Bauwende“ unterwegs.
Titelbild: © Gerhard G. Feldmeyer
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