Nicht immer sind es die Stars und Sternchen, die in Filmen die Hauptrolle spielen. Gebäude sind als Setting oft unabdingbar — und manchmal sogar in der Protagonistenrolle. Fünf besondere Filme haben wir uns dahingehend einmal genauer angeschaut.
Das Haus der Kathedrale im Herzen Dresdens, zentrales Veranstaltungs- und Verwaltungsgebäude des Bistums Dresden-Meißen, wurde vom Architekturbüro Alexander Pötzsch Architekten von einem älteren Gemeindehaus mit technischen und strukturellen Problemen in einen Ort mit neuem Gesicht verwandelt. Nachdem der Renaissancebau im Zweiten Weltkrieg großflächig beschädigt worden war, wurde er Ende der 90er Jahre als eines der ersten Gebäude in Dresden wiederaufgebaut.
Nun sollte er großflächig saniert, umstrukturiert, Sicherheits- und Haustechnik überarbeitet und das Zu- und Abwassersystem erneuert werden. Eine komplexe und keine leichte Aufgabe für ein Gebäude mit multiplen Nutzungen – Veranstaltungsräume, Wohnungen sowie Dienst- und Büroräume befinden sich alle unter einem Dach. Es galt, für all diese Räumlichkeiten eine ihrer Nutzung angemessene architektonische Lösung zu finden, die auch Nachhaltigkeit und Ästhetik nicht außer Acht lässt. Gleichzeitig sollten entscheidende Räume und Flächen des Gebäudes valorisiert werden – der erdgeschossige Bischof-Gerhard-Saal als Hauptveranstaltungsraum und die Kapelle im zweiten Obergeschoss des Hauses der Kathedrale. Und all das bei laufendem Betrieb. „Es war logistisch gesehen schon sehr herausfordernd“, sagt Alexander Pötzsch, der bereits Erfahrung mit Baustellen im laufenden Betrieb mitbrachte und die Ausschreibung des besonderen Projektes gewann.
Das Haus der Kathedrale war aber dahingehend eine Besonderheit, als dass es der erste Bau mit Kapelle für ihn und sein Team war. Umso mehr freute da das vom Bauherrn entgegengebrachte Vertrauen – in diesem Fall das Bistum Dresden-Meißen mit Bischof Heinrich Timmerevers, dessen Dienstsitz und Privaträume sich im Gebäude befinden.
„Es ist schon toll, wenn der Bauherr einem da so vertraut und sagt: ‚Ja, macht das.‘“, erinnert sich Pötzsch positiv. Trifft dies auf das gesamte Projekt und Gebäude zu, steht dabei doch die Kapelle – als Herzstück des Baus – besonders hervor. Die Nutzung dieses Raumes architektonisch zu unterstützen, eine sphärische Transluzenz zu schaffen, den Raum für sich zu denken und dann zu entwickeln – all das habe unglaublich viel Spaß gemacht, sagt der Architekt, erfordere aber eben ein besonderes Vertrauen des Bauherrn, der natürlich in enger Abstimmung den Prozess begleitet hat. Es sei immer ein gemeinsames Hinarbeiten auf die richtige Lösung, erklärt der Architekt, dem man seine Leidenschaft für sein Metier anmerkt.
ES MACHT UNHEIMLICH VIEL SPASS, EINEN RAUM ZU DURCHDENKEN UND ZU ENTWICKELN.
Alexander Pötzsch
Vom Bodenbelag über die hinterleuchtete Wandverkleidung bis hin zu Möbeln, Altar und modernem Leuchter wurde bei der Kapelle alles von Alexander Pötzsch und seinem Team entworfen und durchdacht. Die Idee war, eine Art Zelt zu schaffen mit dem kreuzförmigen Altar als Hochpunkt. Der darüber befindliche Leuchter ist eine moderne Adaption eines Kirchenleuchters und enthält schwenkbare Spots. Sowieso ist die Kapelle das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit zeitgenössischen, aber vorrangig auch älteren Sakralbauten. Laut Pötzsch haben er und sein Team versucht, eine angemessene Adaption zu finden und die Dinge weiterzudenken, um zu dem nun sichtbaren Ergebnis zu gelangen.
Auch die Materialwahl wurde mit viel Sorgfalt vorgenommen. „Ein Material mit Charakter war uns wichtig. Es musste bearbeitet aussehen, Kraft und Haptik haben“, erklärt der 45-Jährige. Stein mit Maserung und Holzdielen mit Struktur wurden diesem Anspruch gerecht. In stetiger Fortschreitung wurde die Kapelle zu dem, was sie heute ist. Ein fast magischer Ort, der den Besucher näherbringen soll zu Spiritualität in einem andächtigen Ambiente.
Die moderne Haltung der katholischen Kirche und der progressive Ansatz beim Umbau des gesamtem Gebäudes mag überraschend anmuten. Laut Pötzsch war es eben auch genau diese Offenheit und dieses Vertrauen, welche das Projekt zu etwas Besonderem gemacht haben. Er sieht es als auch Geste, die man nach außen hin vermitteln will. Offenheit für die Menschen, Offenheit für die Stadt. Dass so etwas über den Weg der Architektur gelebt werden kann – dafür lieben Menschen wie Pötzsch ihren Job.
In insgesamt über 200 Baubesprechungen über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren wurde gemeinsam an all dem gearbeitet, was jetzt im Herzen Dresdens zwischen Stallhof und Grünem Gewölbe besichtigt und erkundet werden kann. Ein offenes, einladendes Haus, das nicht nur Gemeindemitgliedern, sondern auch den Bürgern der Stadt und Besuchern offen steht.
Offener ist auch der Zugang zum Haus, der vom Kanzleigässchen in die prominentere Schlossstraße verlegt wurde. Durch einen Eingangsbereich mit freigestelltem Abgang zu den Kellergewölben gelangt man in den zentralen, offenen Hof. Italienisch inspiriert ist er hell und leicht gehalten, mit einem harten, gepflasterten Boden. „Die Idee war, mit dem Hof etwas sehr Urbanes zu schaffen und ihn zu einem kommunikativen Ort zu machen“, erklärt Pötzsch. Gelungen ist das allemal. War der Platz zuvor ein eher angehängter Hinterhof, ist er nun zentrale Veranstaltungsfläche, über die man zu all den anderen Nutzungen des Gebäudes gelangt: Empfangsraum, Jugendraum, Foyer, Veranstaltungssaal, Catering-Küche und WG-Anlagen. Eine ursprüngliche Idee, den Hof zu überdachen, wurde rasch verworfen; auch wurde ein bestehender Balkon im Hof abgebrochen und eine Rabatte mit spärlich wachsendem Grün geschlossen. Der dadurch geschaffene urbane Charakter wird ergänzt durch wiederkehrende Elemente, die sich im gesamten Gebäude wiederfinden: die Lamellenstruktur und das Bogenmotiv. „Wir konnten mit dem Hof einen tollen Freibereich schaffen, in dem kürzlich auch eine Ausstellung stattfand. Es ist toll, wenn Architektur funktioniert“, erklärt der kreative Kopf stolz.
Ein weiterer zentraler Punkt des Hauses der Kathedrale ist der Bischof-Gerhard-Saal. Als besonderer Raum sollte auch dieser eine besondere Decke bekommen – so das Credo des Architektenteams. Die gefaltete Decke mit den Deckenkassetten in Form kleiner Pyramiden erinnert an die Kreuzgewölbe der Vorfassung des Saals. Als recht radikale Baumaßnahme wurden Deckengewölbe und -stützen herausgenommen. Versperrte Sichtachsen sollten auf diese Weise freigelegt werden – der Raum ist nun größer, offener, luftiger und fasst mehr Menschen. Die Beleuchtung wurde durch Leuchtröhren in Form gleichschenkliger Kreuze realisiert, ist modern und trägt dennoch der Nutzung Rechenschaft. Dabei war und ist Pötzsch immer eine sich fügende Angemessenheit wichtig. „Architektur soll dem Anlass gerecht werden. Es soll schön sein, aber gleichzeitig angemessen und nicht überzogen.“
ARCHITEKTUR SOLL ANGEMESSEN SEIN.
Alexander Pötzsch
Angemessen gelöst wurde auch das Foyer, eine Art Add-on zum Veranstaltungssaal. Durch die Umverlegung des Eingangs und der Türen zum Innenhof wird dieses selbst zum Veranstaltungsraum. Die Flächen des Hauses der Kathedrale konnten auf vielfältige Weise attraktiviert und aufgewertet werden, was die jeweilige Nutzung unterstreicht und stützt.
An allen Ecken und Enden wurde das geschichtsträchtige Gebäude saniert und neu durchdacht. Laut Pötzsch haben in insgesamt acht Teilbaumaßnahmen über 60 Firmen am Gebäude mitgewirkt, darunter Rohbauer, Stahlbauer, Abbruchfirmen und insgesamt sechs Tischlerbetriebe. Dem Bauherrn sei es wichtig gewesen, kleinere und lokale Handwerksbetriebe zu beauftragen. Auch das Thema Nachhaltigkeit habe eine zentrale Rolle gespielt. So wurden an allen Stellen Materialien und Gegenstände weiterverwendet, wo es möglich war. Fußbodenbelag wurde quadratmeterweise rückgebaut, geflickt und an anderer Stelle wieder eingesetzt. Wenn Lampen in einem Raum ausgebaut wurden, wurden sie im nächsten Raum wieder eingebaut.
All das erforderte viel Planung, Blick fürs Detail, Hingabe und Durchhaltevermögen. Auch eine strikte Organisation durch die parallele Weiternutzung des Gebäudes war erforderlich. Ein Punkt, mit dem Pötzsch durchaus vertraut war, von dem er aber zukünftig Bauherren eher abraten würde, wenn nicht zwingende Gründe für einen Umbau im laufenden Betrieb sprechen.
Bei einem komplexen Bauvorhaben dieser Art, welches auch immer wieder vor Herausforderungen und Schwierigkeiten stellt, sei es stets wichtig, zu filtern, so Alexander Pötzsch. Man könne nicht alles umsetzen, aber man müsse die Stellen herausarbeiten, bei denen es wichtig ist, zu kämpfen. Was sind „nice-to-haves“, die aber nicht notwendig sind, um das Haus zu verstehen? Wo ist etwas Bestimmtes essenziell, um den Charakter des Gebäudes nicht zu verlieren? Alles Fragen, die immer wieder Reflexion und Kurskorrektur erforderlich machen. Unterscheiden sich hier gute Architekten von schlechten? Wir mögen es nicht zu beurteilen wagen. Fakt ist: Das Haus der Kathedrale ist ein Zeugnis dafür, wie auf richtige Fragen richtige Antworten gefunden wurden. Wie eine durchdachte Architektur Angemessenheit verbindet mit Schönheit, Reduziertheit mit Wesentlichkeit.
Text: Marit Albrecht
Titelbild: © Brigida González
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