Kreislaufwirtschaft ist längst keine Neuheit mehr in der Baubranche. Wie viele Hürden aber noch im Weg stehen, um wirklich nachhaltig und zirkulär zu bauen, zeigt ein mutiges Projekt in Berlin-Neukölln.
Im Sommer 2021 startete der Zoo Dresden mit dem Bau des bisher größten Bauprojektes in der 160-jährigen Zoogeschichte – dem Neubau des Orang-Utan-Hauses. Dies wurde auch Zeit, denn der alte DDR-Bau konnte die Anforderungen an die moderne Zoohaltung nicht länger erfüllen und war – nebenbei bemerkt – schon damals nur als Interimslösung gedacht. Das neue Orang-Utan-Haus soll den sympathischen Menschenaffen mehr Raum, mehr Privatsphäre und höhere Klettermöglichkeiten bieten. Den Besuchern soll es einen besseren Einblick in den ursprünglichen Lebensraum dieser Tiere gewähren. Dafür werden drei Themenräume inszeniert: „das Grüne Dickicht“, „die Grünen Berge und Täler unter Baumriesen“ und „der tropische Strand“.
Neben den fünf Orang-Utans (Toni, Daisy, Dalei, Djaka, Djudi) wird der Bau auch weitere Tiere Südostasiens beherbergen. Dazu gehören der Glattotter, der Tonkin-Langur (eine Primatenart), der Binturong (Marderbär), der Fidschileguan, die Netzphyton, der Blaue Baumwaran, kleinere Reptilien und die Aldabra-Riesenschildkröte. Da sich der ursprünglich angedachte Standort der Aldabra-Riesenschildkröte für die weitere Entwicklung des Zoos als nachteilig erwiesen hatte, wurde der geplante Neubau in die weiteren Planungsüberlegungen zum Orang-Utan-Haus integriert. Die Riesenschildkröten, von den Dresdnern liebevoll „Hugos“ genannt, werden daher nun als zweite große Tierart eine großzügige Anlage im Orang-Utan-Haus erhalten. Damit sind die Besucherlieblinge nun auch ganzjährig zu sehen. Mit dem neuen Orang-Utan-Haus soll auf einer Baufläche von mehr als 4.000 m² insgesamt ein Ort geschaffen werden, in dem ein Querschnitt des vielfältigen Lebens im tropischen Regenwald präsentiert und gleichzeitig Natur- und Artenschutz, Nachhaltigkeit und Tierhaltung thematisiert werden.
Bislang konnte der Zeitplan, trotz erschwerter Rahmenbedingungen wie der Corona-Pandemie, weitgehend eingehalten und viele Bauschritte erfolgreich abgeschlossen werden. Von Juli 2021 bis November 2021 erfolgten die Baufeldfreimachung sowie die Verlegung der Anschlüsse und Medien. Ab November begannen die Tiefbauarbeiten mit der damit einhergehenden Kampfmittelsondierung, welche sich bis in den Februar 2022 hinzogen. Im darauffolgenden Monat starteten die Rohbauarbeiten im Untergeschoss, gefolgt von den Rohbauarbeiten im Erd- und Obergeschoss und der Wandgestaltung der Außenanlagen. Gleichzeitig wurden die Netzabspannungen der Orang-Utan-Außengehege montiert. Mit dem Richtfest am 28. November 2022 ging das zoologische Bauprojekt in seine finale Bauphase. Nach den letzten Dachabdichtungsarbeiten wurden durch die Haustechniker Sanitär-, Lüftungs- und Elektroinstallationen fertiggestellt sowie der Innenputz aufgebracht. Bis Ende des Jahres werden dann schon die ersten Fenster eingebaut. Nach Fertigstellung des Entdeckerpfades, der sich als geschlungener Besucherpfad durch das neue Haus zieht, werden im ersten Quartal 2023 fünf Pylonen errichtet, an denen dann die Netzkonstruktionen die Außenanlagen der Orang-Utans überspannt. Eine finale Eröffnung für die Besucher ist für November 2023 anvisiert.
Während der Zeitplan bis Fertigstellung höchstwahrscheinlich eingehalten werden kann, haben sich die Baukosten deutlich erhöht. „Die Preissteigerungen bis Ende Februar 2022 waren im Wesentlichen auf die Pandemie zurückzuführen und haben sich etwas unterhalb des statistischen Mittels bewegt. Seit März 2022 sind unter anderem bei den Vergaben der Fassade, dem Stahlbau und der Dachabdichtung extreme Preissteigerungen eingetreten, die auf den Ukraine-Krieg und den damit verbundenen erhöhten Energie- und Rohstoffpreisen zurückzuführen sind“, so Jens Krause vom Berliner Architekturbüro „Heinle Wischer“. Der aktuelle Kostenstand liegt rund 2,3 Millionen Euro über dem Budget. Die Prognose der zu erwartenden Mehrkosten bis zur Fertigstellung beträgt ca. 3 Millionen Euro. Somit beläuft sich die finale Bausumme mittlerweile auf 20 Millionen Euro. „Trotz aller Mehrkosten wäre dies eine Kostensteigerung von 17 Prozent und läge damit unterhalb der statistischen Preissteigerung von 20 Prozent“, so Jens Krause weiter.
Die zusätzlichen Kosten werden aktuell durch Eigenmittel des Zoos finanziert. „Dieses Geld hätten wir sonst für andere Projekte, wie beispielsweise die Erneuerung des Streichelgeheges, verwendet“, so Zoodirektor Karl-Heinz Ukena. Diese Projekte müssen vorerst verschoben werden, wobei der Zoodirektor noch Hoffnung hegt: „Die Spendenbereitschaft für das Orang-Utan-Haus ist enorm hoch. […] Je mehr Spenden wir für das Projekt zusammenbekommen, desto geringer fällt die Summe der benötigten Eigenmittel aus. Das schafft wiederum Raum für unsere anderen notwendigen Projekte.“
In ihren Herkunftsgebieten leben Orang-Utans geschützt in den Bäumen der tropischen Regenwälder Südostasiens. Dies wurde bei der Konzeption des Donut-förmigen Gebäudes berücksichtigt. So entstand die Idee von innenliegenden Außenanlagen. Durch die Umschließung des Außengeheges mit einem kreisförmigen Mantelbau werden die Tiere nicht nur besser vor Lärm, sondern auch vor Wettereinflüssen geschützt. Trotz der geschützten Außenanlagen sollen die Orang-Utans die Möglichkeit zum Weitblick haben.
Ein weiterer Planungsschwerpunkt lag auf der vertikalen Gestaltung der Anlagen. Mit einer Gesamthöhe von zehn Metern können die Orang-Utans künftig an Aussichtspunkten in den Zoo und den Großen Garten blicken. Die einzelnen Gehege werden so miteinander verbunden, dass für jeden Orang-Utan jederzeit jedes Gehege nutzbar gemacht werden kann. Neben der Haltung einer dreiköpfigen Zuchtgruppe mit Nachwuchs, erlaubt die neue Anlage auch die Haltung eines weiteren erwachsenen Zuchtmännchens. Dies war von Beginn an eines der Hauptziele der Konzeption und wird vom Europäischen Erhaltungszuchtprogramm so gefordert. Auch erwachsener Nachwuchs kann in einem anderen Gehege untergebracht werden, bis für ihn ein passender neuer Zoo gefunden wird. Insgesamt können die Orang-Utans so drei Außen- und vier Innengehege nutzen.
Durchdacht ist auch das Fassadenkonzept, welches den Zoobesuchern große Orang-Utans zeigt, die zwischen Baumstämmen klettern. Der Baum als gestalterisches Element und verbindendes Motiv für alle im Haus lebenden Tierarten, wird auch in der Innengestaltung eine wesentliche Rolle spielen. So soll der Eindruck entstehen, die Besucher befinden sich als stille Beobachter im abgedunkelten Dickicht und beobachten die Tiere in ihren hellen Gehege-Lichtungen. Dunkle Farbtöne, Pflanzen und in Grüntönen gehaltene Oberflächen in Anlehnung an den Wald verstärken diesen Effekt. Die Gehege der Orang-Utans selbst werden durch die großen Folien-Oberlichter eine freundliche und helle Erscheinung haben.
Bei Baumaßnahmen in dieser Größenordnung fragt man sich, in wie weit sich die ungewohnten Geräusche, Erschütterungen und generellen Aktivitäten auf der Baustelle auf die Tiere auswirkt. Da Lärm und Geräusche von der Baustelle aber leider nicht vermeidbar sind, ist es wichtig, dass sich die Orang-Utans in ihren Anlagen sicher fühlen. Dabei hilft die vertraute Anwesenheit der Tierpfleger, die beruhigend auf die Tiere einwirken und ihnen ein Gefühl von Sicherheit geben. Außerdem haben die Tiere von der Außenanlage bzw. Tiere, die über ein Außenfenster verfügen, direkten Blick auf die Baustelle. Damit können sie die Geräusche auch mit direkten Ereignissen verknüpfen und besser einordnen, woher das Geräusch kommt. Dies nimmt die Angst vor dem Unbekannten und erleichtert eine schnelle Gewöhnung an die ungewohnten Geschehnisse in ihrem Umfeld.
10 Prozent der Kosten werden über Spenden finanziert
20 Prozent höhere Baukosten als ursprünglich kalkuliert
29 Monate geplante Bauzeit
90 Prozent der beauftragten Firmen haben ihren Sitz in Sachsen
350 Tonnen verbauter Bewehrungsstahl
3.000 Kubikmeter verbauter Beton
11.500 Kubikmeter Erdaushub
1.500.000 Euro bis dato eingegangene Spenden
20.000.000 Euro Gesamtkosten
Text: Stefan Mothes
Fotos/Renderings (wenn nicht anders gekennzeichnet): @ Zoo Dresden GmbH
Kreislaufwirtschaft ist längst keine Neuheit mehr in der Baubranche. Wie viele Hürden aber noch im Weg stehen, um wirklich nachhaltig und zirkulär zu bauen, zeigt ein mutiges Projekt in Berlin-Neukölln.
Zwei Tage geballtes Wissen, Innovation, Optimismus und Pioniergeist. Mit Spannung haben wir verfolgt, welche Rolle das Thema Bauen beim 14. Deutschen Nachhaltigkeitspreis spielte. Eine ganz zentrale.