Wie handhaben andere Länder den klimafreundlichen Umbau ihrer Städte und Umgebungen? Eine kanadische Landschaftsarchitektin gibt Aufschluss.
Vier Jahre sind in unserer schnelllebigen Zeit eine halbe Ewigkeit. Vier Jahre liegen zwischen dem letzten Deutschen Architekt*innentag DAT19 und dem diesjährigen DAT23. In der Zwischenzeit erlebte die Welt eine Pandemie mit Weltwirtschaftskrise und gestörten Lieferketten, Klimaprotesten und der allgegenwärtigen Erkenntnis, dass es ein „Weiter so!“ auch in der Baubranche nicht mehr geben kann. Unter dem Motto „TRANSFORMATION – RÄUME STÄRKEN“ wollte der DAT23 ein deutliches Signal des Aufbruchs setzen – und verlor dabei zwei Aspekte aus den Augen.
Dieser 29. September in Berlin fühlte sich für die rund 1.000 Architektinnen und Architekten, die den DAT23 besuchten, wie ein Sommertag an. Das lag neben der allgemein gelösten Stimmung vor allem an den 26 Grad Celsius Außentemperatur. Der wärmste September seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland rollte den inhaltlichen Teppich für den Architektenkongress aus: der menschengemachte Klimawandel und wie die Architekturschaffenden darauf reagieren sollten.
Bereits die Eröffnungskeynote von Dr. Maja Göpel unterstrich die Dringlichkeit des Wandels hin zu einer ultimativen Nachhaltigkeit und einem neuen Bewusstsein für die knappen Ressourcen unseres Planeten. Ihr Appell zum Umdenken war in seiner Deutlichkeit und vor allem Dringlichkeit kaum zu überhören. Dass die Transformationsforscherin damit im Rund des Berliner Congress Centers offene Türen einrannte, zeigte der überwältigende Applaus, mit dem sie bedacht wurde.
Damit war das Thema gesetzt und die weiteren hochkarätigen Referenten schlossen sich diesem Grundtenor an. So warb Christoph Ingenhoven in seiner Keynote „supergreen®“ für mehr Mut zu nachhaltiger, zukunftsfähiger Architektur, wie bei seinem Kö-Bogen II: „Keiner unserer Auftraggeber hat uns nach einer begrünten Fassade gefragt. Aber wir haben es vorgeschlagen und es wurde umgesetzt.“ Er betonte, dass die Branche besser als gut sein müsse, um lebenswerte Räume für Menschen zu schaffen sowie den enormen Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung nicht nur zu bremsen, sondern sogar umzukehren – trotz Neubau und Bauen im Bestand.
Doch wer schnelle Veränderung möchte, muss diese auch zulassen. Wozu fortschrittliche Architekten bereit sind, wird an anderer Stelle gebremst. Die Rede ist von der in Deutschland als träge geltenden Verwaltung, die innovative Bauprojekte von vornherein in bürokratischen Hürden erstickt. Und es ist die Rede von einer wankelmütigen Politik, die längst überfällige Reformen im Bauwesen über Jahrzehnte verschleppt hat.
So wurde mit Spannung erwartet, welche Position der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in dieser Sache bezieht. Der Minister ließ erkennen, dass er diesen Rückstand in kürzester Zeit wett machen müsse: „Wir haben das Problem, dass wir innerhalb von vier Jahren alle Versäumnisse der letzten 40 Jahre aufholen müssen.“ Anfangs tiefstapelnd ließ Habeck im Laufe seiner Rede, in der er auch um Unterstützung aus der Architektenschaft warb, erkennen, dass er wichtige politische Impulse setzen will.
„Nachhaltiges Wachstum ist möglich durch klimaneutrale Energieformen, kluge Materialwahl, Gebäuderecycling und Kreislaufwirtschaft – und weniger Bürokratie“, zeigte sich Habeck optimistisch. Von der verbesserten Förderkulisse für nachhaltige Architektur, über den Bürokratieabbau bis hin zur Einpreisung externer Kosten wie dem bei der Produktion entstandenen CO2-Ausstoß bei der Bewertung von Angeboten bewies er Sachverstand und sorgte für viel zustimmendes Nicken und Applaus im Berlin Congress Center.
Neben den hochkarätigen Rednern im Hauptprogramm sprachen in den sieben Themenräumen über 60 Referenten unter anderem über das Stadt-Land-Kontinuum, den öffentlichen Raum, die Potenziale der Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft, Baustoffe, neue Lösungsätze für die notwendige Verknüpfung von High- und Low-Tech – und blieben dabei oft in theoretischen Sphären oder bei einfachen Plattitüden. Wer sich konkreten Erkenntnisgewinn oder gar echte Diskussionen in den Panels erhofft hatte, wurde eher enttäuscht.
Die Diskussionen glichen einer Nabelschau auf das eigene Forschungs- oder Arbeitsfeld und unterstrichen eher das Bild einer als selbstreferentiell geltenden Branche. Da halfen auch die Appelle für einen sinnvollen Materialmix und mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit, zum Beispiel im Panel „MATERIALISIEREN – Baustoffe für die Bauwende“, wenig. So musste man die wenigen Bauingenieure unter den Referenten lange suchen. „Aber allein im Wald zu stehen, löst die Probleme nicht“, fasste Prof. Stephan Birk das Dilemma bei der Suche nach dem perfekten Baustoff und der übergreifenden Zusammenarbeit treffend zusammen.
Neben den Menschen, die die von Architekten entworfenen Gebäude der Zukunft planen und bauen, waren auch die immens gestiegenen Baukosten eher ein Randthema. Die hohe Inflation mit deutlich gestiegenen Material- und Lohnkosten hätte man als unbedarfter Kongressbesucher nicht erahnen können. So wurden zwar die günstigeren Betriebskosten nachhaltiger Gebäude thematisiert, dass sich Normalverdiener oder öffentliche Bauherren diese aber längst nicht mehr leisten können, blieb fast gänzlich unerwähnt. „Nicht jeder hat so spendable Bauherren wie Herr Ingenhoven“, lautete daher ein süffisanter Kommentar in einer Fragerunde.
Dennoch legte die nahezu perfekt organisierte und unterhaltsam moderierte Veranstaltung den Finger an den richtigen Stellen in die Wunde. Darüber hinaus hat sich die Bundesarchitektenkammer mit ihrer glänzend aufgelegten Präsidentin Andrea Gebhard als guter Botschafter in eigener Sache und als wichtiger Impulsgeber für die Politik verkauft.
Ob eine nachhaltige Aufbruchstimmung unter den deutschen Architektinnen und Architekten erzeugt werden konnte, bleibt abzuwarten. Bezeichnenderweise gab eine Dänin das Motto des Tages vor. Die Stadtarchitektin Camilla van Deurs, die in Kopenhagen die Politik berät, beantwortete die Frage, wie man neue Ideen fördert und dabei Tempo macht, ganz einfach mit: „Just do it!“
Text: Robert Kaltschmidt
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Wir haben die wichtigsten Gründe dafür zusammengefasst.