„Downsizing“ kann viele Gesichter haben. Ob in der Fahrzeugbranche oder aber im Immobilien- und Architektursektor. Was es heißt und welche Möglichkeiten es gibt? Wir haben es untersucht.
Seit 55 Jahren lebt Jörg Schöner in dem Haus in Dresden Blasewitz, in dem wir ihn besuchen. „Das wollte zu DDR-Zeiten kaum jemand haben. Hier stecken 50 Jahre Arbeit drin.“ Mit viel Mühe hat Jörg Schöner die Villa zusammen mit seiner Frau renoviert. Dieser Weg steht symbolisch für einen großen Teil seines Schaffens: die Auseinandersetzung mit dem Thema Baustelle und die Arbeit mit historischer Bausubstanz.
Jörg Schöner hat in seiner 50-jährigen Laufbahn als Architekturfotograf unter anderem den historischen Wiederaufbau einiger der bedeutendsten Gebäude Dresdens begleitet und dokumentiert: Zwinger, Taschenbergpalais, sämtliche Ministerialgebäude und die 2005 fertiggestellte Frauenkirche, um die wichtigsten zu nennen.
Durch seine Arbeit hat er ein Stück Zeitgeschichte dokumentiert, das im Stadtarchiv sorgfältig aufbewahrt wird. Auch wenn Jörg Schöner aus einer erfahrenen Fotografen- und Grafikerfamilie stammt und vieles von klein auf mitbekommen hat, so war es auch die besondere Zeit, wie er sagt, die ihn in diese Projekte katapultiert hat.
„Es war die Wendezeit, die Zeit des Aufbaus. Es lag nicht nur an meinem Können, sondern auch daran, was einfach zu der Zeit vor Ort war.“ Von einer „total heruntergekommenen, ruinösen Bausubstanz“ spricht der gebürtige Dresdner. „Im ganzen Land wurde restauriert, um- und neugebaut, da war so viel Arbeit.“
Lange sei er während der DDR-Zeit im Bereich der Industriefotografie tätig gewesen, damals noch analog, mit Großformatkameras und einem langen Prozess dahinter, um zum fertigen Foto zu gelangen. Die technischen Möglichkeiten habe Schöner dabei bestens beherrscht – und sei damit den fotografierenden Architekten ein ganzes Stück voraus gewesen. Gleichzeitig habe er vieles von ihnen lernen müssen und können, so beispielsweise vom Zwingerbaumeister, dem Team um Peter Kulka oder den Chefplanern der Frauenkirche.
„Das Beherrschen einer Kamera ist die eine Seite. Das geht ja heute fast von ganz alleine. Man muss aber vielmehr etwas von dem verstehen, was man fotografiert.“ Das Thema Bau und Architektur habe ihn schon immer interessiert. Porträt- oder Hochzeitsfotografie hingegen sei für ihn nie in Frage gekommen. „Ich habe kein Feeling für Porträtfotografie und hatte auch keine Lust, im Bereich Reportage zu arbeiten“, lacht er. „Aber so eine Kamera mit zig Schräubchen und Rädchen und Wasserwagen, da bekamen die meisten Fotografenkollegen Angst.“
Früh hat er sich durch sein technisches Können von anderen abgehoben und ist das Risiko eingegangen, sich voll auf eine Sparte der Fotografie – die Architektur – zu spezialisieren. Auslöser dafür war die fotografische Dokumentation der historischen Altstadt von Görlitz, die er im Rahmen seiner Diplomarbeit zwischen 1979 und 1984 erstellt hat.
„Görlitz war technisch schwierig. Die Stadt ist eng, die Häuser sind hoch und die Kameraausrüstung war spärlich.“ Sich zudem vom Fotografischen zu lösen und in die Betrachtung des Objekts zu kommen, musste Schöner erst lernen, unter anderem durch ausgedehnte Stadtrundgänge und den Austausch mit Architekten und Denkmalpflegern. Dadurch habe er mehr und mehr den Blick für die Besonderheiten und die verschiedenen Kulturschichten der Gebäude entwickelt. Die Dokumentation über Görlitz, die auch für die UNESCO ausgestellt wurde, öffnete ihm die Tür für weitere Projekte dieser Art, wie zum Beispiel die Dokumentation des Frankfurter Doms und anschließend die des Taschenbergpalais in Dresden. „Das Taschenbergpalais war so eine Art Meisterprüfung. Damit habe ich mich für die Gesamtdokumentation des Wiederaufbaus der Frauenkirche beworben und den Auftrag unter 19 Bewerbern bekommen“, fügt er stolz hinzu.
Jörg Schöner beschreibt seine Abbildungsvorstellungen eines Objekts oder Gebäudes als „exakt“. Er sucht stets die saubere, sachliche Abbildung, ohne jedes Beiwerk, ohne Schnörkel. „Es gibt hier zwei Möglichkeiten: Entweder verwendet der Fotograf die Architektur dafür, sich selbst darzustellen. Er experimentiert und vermittelt, wie er die Architektur sieht. Oder der Fotograf versucht, das Objekt so wie es existiert der Allgemeinheit zu vermitteln. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das eine ist eine Interpretation, das andere ist Dokumentation. Ich bin immer auf der Seite der Dokumentation geblieben“, erklärt der heute 80-Jährige, der noch immer in seinem Metier tätig ist.
Auf die Frage nach seinem persönlichen Lieblingsprojekt antwortet Jörg Schöner: „Das Bedeutendste war natürlich die Frauenkirche, die auch vom Bauwerk die größte Bedeutung hatte – nicht regional, sondern überregional. Es ist die Krönung der Aufgabe eines Architekturfotografen, dass er für zukünftige Generationen Informationen schafft und hinterlegt, mit denen diese später arbeiten können.“
Jörg Schöner wurde am 6. August 1944 in Dresden geboren. Nach einer elektrotechnischen Lehre, Abitur, einem angefangenen Mathematikstudium und einer Fotografenprüfung wurde er 1974 Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR und war fortan als freiberuflicher Fotograf tätig.
Seit 1990 hat er namhafte begleitende Dokumentationen öffentlicher Bauvorhaben der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaates Sachsen und Dresden vorgelegt.
Seit 1995 Mitglied im Bund Freischaffender Fotodesigner (BFF), unterrichtete Jörg Schöner seit 1996 am Lehrstuhl für Darstellungslehre der Technischen Universität Dresden Fotografie für Architekten, zunächst im Lehrauftrag, seit 2006 als Honorarprofessor.
Weiterführendes Video:
Titelbild: © Bricks Don’t Lie, Tom Vossen
Fotos, wenn nicht anders gekennzeichnet: © Jörg Schöner
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