10-2022
10-2022

Immobilienverrentung — clevere Alternative zum Hausverkauf im Alter?

Da hat man sein ganzes Leben lang brav gearbeitet und trotzdem bleibt im Alter finanziell kein Raum für große Sprünge. So geht es vielen Rentnern in Deutschland. Auch jenen, die über Grundbesitz, also ein Eigenheim verfügen. Aber haben diese Glücklichen überhaupt ein Recht zu „jammern“? Schließlich müssen sie keine Miete zahlen und können bei Bedarf ihr Haus verkaufen, in eine kleinere Wohnung ziehen und von dem Verkaufserlös im Wohlstand leben. 

Leider ist die Rechnung nicht ganz so einfach. Auch ein abgezahltes Eigenheim verursacht Kosten und bedarf der Pflege und Instandhaltung, was im schlimmsten Fall der Höhe einer Mietzahlung gleichkommt. Ein Verkauf ist auf sachlicher Ebene sicherlich eine vernünftige Lösung, aber auf emotionaler Ebene oftmals eine große Hürde. Schließlich hat man jahrelang für Zins und Tilgung geschuftet und nun, wo die Arbeit endlich ein Ende hat und das Haus abbezahlt ist, soll man es verkaufen? 

Noch viel größer ist die Bindung zum Eigenheim, wenn man dieses selbst erbaut hat oder es sich bereits seit mehr als einer Generation in Familienbesitz befindet. Und was ist mit all dem liebgewonnenen „Krempel“, der sich über die Jahre angesammelt hat? Einfach einen Container bestellen und weg damit? Dieser Schritt kostet Einiges an Überwindung. Zu Recht können sich viele Rentner nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass jemand Fremdes es von heute auf morgen entrümpelt und in einer Form umgestaltet, dass sich einem die (grauen) Haare sträuben.

Wenn also verkaufen nicht der richtige Weg ist (weil man nicht loslassen kann), wie lässt sich dann vermeiden, dass man auf einer Menge Geld sitzt, was man gerne nutzen würde, dies aber nicht kann? Eine Möglichkeit ist die Immobilienverrentung als clevere Zwischenlösung.

Die Frage, was mit dem Eigenheim im Alter wird, beschäftigt viele. Die Immobilienverrentung ist eine Möglichkeit.
Foto: © Shutterstock

Das Prinzip der Immobilienverrentung

Bei einem klassischen Verkauf geht das Eigentum mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf den Käufer über. Der ehemalige Eigentümer selbst hat keinerlei Rechte mehr an seiner Immobilie, was natürlich auch das Wohnrecht einschließt. Bei der Verrentung einer Immobilie erhält der Eigentümer den Verkaufspreis in Form einer Einmalzahlung oder in Form von monatlichen Raten, ähnlich einer Rente. Das Besondere an diesem Modell ist, dass der Veräußerer durch ein Wohnrecht auf Lebenszeit weiterhin in seinen eigenen vier Wänden bleiben darf. Dieses Recht ist natürlich verbunden mit einem Abschlag auf den ermittelten Wert der Immobilie. Schließlich kann der Erwerber das Kaufobjekt erst vollständig nach Ableben der Vertragspartner nutzen. 

Für den Käufer ist die Immobilienverrentung – makaber ausgedrückt – eine Wette auf den Tod, die bei besonders robusten, also langlebigen Senioren durchaus ein Minusgeschäft werden kann. Käuferseitig ist dieses Arrangement daher nur für gewerbliche Investoren, Kapitalanleger und Spekulanten geeignet. Verkäuferseitig können Senioren ohne Erben bzw. Erben, die an der Nutzung der Immobilie kein Interesse haben oder für die das Erbe eine Last wäre, mit diesem Modell ihre monatlichen Einnahmen deutlich aufbessern oder sich durch eine Einmalzahlung zum Beispiel den Wunsch einer langehegten Weltreise leisten – ohne dass sich ihre Wohnverhältnisse und Lebensgewohnheiten maßgeblich ändern. Durch die erhöhte Rente können auch Angehörige davon befreit werden, später einmal Pflegekosten zu begleichen, die durch die normale Rente ansonsten nicht mehr beglichen werden könnten. Auch Kosten für barrierefreies Wohnen können so bestritten werden, was weiterhin zu einem altersgerechten, selbstbestimmten Leben im Alter beiträgt.

Gängige Modelle der Immobilienverrentung

Modell „Leibrente“. Der Verkäufer erhält für den Verkauf seiner Immobilie lebenslang eine monatliche Rente. Zudem erhält der Verkäufer ein Wohnrecht auf Lebenszeit, welches im Grundbuch eingetragen wird. Diese Variante ist aufgrund seiner Einfachheit das gebräuchlichste Verrentungsmodell und birgt für den Veräußerer nur das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers. Beachtet werden sollte, dass das Wohnrecht auf Lebenszeit erlischt, wenn der Veräußerer auszieht.

Modell „Zeitrente“. Bei der Zeitrente wird die ausgehandelte Rente nur über einen vorher festgelegten Zeitraum bezahlt oder bei der Untervariante „Teilrente“ in Einmalzahlung plus monatliche Rente aufgeteilt. In beiden Fällen behält der Veräußerer im Vertragszeitraum sein Wohnrecht, welches jedoch nach Ende der Vertragslaufzeit (und Rentenzahlung) erlischt. An dieser Stelle erfolgt der komplette Übergang der Immobilie auf den neuen Eigentümer. Weitere Optionen dieses Modells sind verzögerte Rentenzahlungen oder ein Besitzübergang auch Monate oder Jahre nach Beendigung der Rentenzahlung. Bei diesem Modell sollte sich der Veräußerer jedoch bereits bei Vertragsabschluss gedanklich von seinem Eigenheim trennen und bereits Vorkehrungen für die Zeit danach treffen.

Modell „Nießbrauch“. Auch hier erhält der Veräußerer eine Rente oder Einmalzahlung zusammen mit lebenslangem Wohnrecht. Dazu wird ihm jedoch das Recht eingeräumt, seine Immobilien nicht nur zu bewohnen, sondern auch zu vermieten oder zu verpachten, also die „Früchte daraus zu ziehen“ (Nießbrauch). Dieses Recht endet mit Tod des Veräußerers und wird aus dem Grundbuch gelöscht. Das Recht ist nicht vererb- oder übertragbar. Für den Immobilienverkäufer hat dieses Modell den Vorteil, dass er (oder sie) nicht an das Wohnen in ihrem ehemaligen Eigenheim gebunden ist. Je nach gesundheitlichen Belangen und persönlichem Empfinden können sie sich für eine andere Wohnlösung (Seniorenheim, Betreutes Wohnen, Unterbringung bei Angehörigen) entscheiden, ihre Räumlichkeiten vermieten und daraus Einnahmen generieren.

Modell „Verkauf mit Rückmiete“. Auch hier erhält der Veräußerer beim Verkauf ein Wohnrecht auf Lebenszeit. Allerdings ist er ab diesem Zeitpunkt Mieter im eigenen Haus und zahlt an den Erwerber jeden Monat eine Mietzahlung. Im Vergleich zu anderen Modellen hat diese Variante den Vorteil, dass der Veräußerer einen deutlich höheren Verkaufspreis erzielt, da der Erwerber die monatlichen Mieteinnahmen in seine Kalkulation und Finanzierung mit einbeziehen kann. 

Modell „Teilverkauf“. Es wird ein prozentual festgelegter Teil der Immobilie (max. 50 %) veräußert. Das Wohnrecht auf Lebenszeit wird gewährt, ist jedoch mit einer Mietzahlung verbunden. Dieses Modell ergibt vor allem Sinn, wenn der Veräußerer aktuell liquide Mittel benötigt, aber weiß, dass in absehbarer Zeit wieder Mittel frei werden (zum Beispiel durch die Auszahlung einer Lebensversicherung) und er seine Immobilie dann über ein Rückkaufsrecht wieder auslösen kann. Da der Veräußerer mindestens 50 % der Immobilie behält, kann er von zukünftigen Preissteigerungen auf dem Markt weiterhin anteilig profitieren.

Modell „Umkehrhypothek“. Diese wird zwar mit dem Begriff der Verrentung verbunden, aber hier handelt es sich nicht um einen Immobilienverkauf, sondern ein Finanzmodell, bei dem die Immobilie lediglich einen Kreditvertrag absichert, also beliehen wird.

Voraussetzungen und Dinge, die es zu beachten gilt

Auch wenn grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht, werden gängige Verrentungsmodelle erst für Eigentümer ab 60 Jahren angeboten, da sich sonst die Investition für den Käufer/Investor kaum lohnt. Zudem muss die Immobilie abgezahlt, also schuldenfrei sein. Beide Parteien sollten für die Wertermittlung einen Gutachter heranziehen und Rechte und Pflichten von einem Juristen klar und deutlich formulieren lassen, um spätere Missverständnisse zu vermeiden. Auf Seite des Käufers sollten sich nur erfahrene Investoren an dieses Modell heranwagen, da neben wirtschaftlichen und steuerlichen Berechnungen auch die nicht kalkulierbare Position der Lebenserwartung mit ins Kalkül gezogen werden muss. Veräußerer sollten aus steuerlicher Sicht nicht vergessen, dass ihre Leibrente unter „sonstige Einkünfte“ fällt und versteuert wird. Wird ein Verrentungsmodell innerhalb der Familie vereinbart, sollte der Verkaufswert auch realistisch ermittelt werden, sonst meldet sich der Fiskus unter dem Stichwort „Schenkungssteuer“ und bittet zur Kasse.


Text: Stefan Mothes

Titelbild: Shutterstock