Das Jahrhunderthochwasser in Dresden im August 2002 hinterließ starke Schäden — was sich seitdem beim Thema Hochwasserschutz getan hat und wie unser Redakteur Stefan Mothes ganz persönlich die Ausnahmeflut erlebt hat.
Unter DDR-Architektur verstehen wir heute mitunter eine Mischung aus monumentalen Platten- und pragmatischen Nachkriegsbauten, die das Stadtbild in den Städten der neuen Bundesländer prägen. Während die Plattenbauten Stück für Stück modernisiert wurden und ihre grau-braune Dominanz nach und nach verloren haben, existieren unscheinbar und dennoch in zentralen Lagen weitere Zeitzeugen dieser Epoche: die DDR-Garagen.
Zu Zeiten des Arbeiter- und Bauernstaates hatte das Auto ein weitaus größeres Prestige inne als heute. Im Durchschnitt musste man 10 Jahre warten, bis das bestellte Fahrzeug geliefert wurde. Demzufolge kam das Abstellen auf einem Straßenstellplatz nicht in Frage. Garagen mussten her, meist auf Eigeninitiative mehrerer Fahrzeugbesitzer, um ihre fahrenden Schätze angemessen unterstellen zu können.
Schon bald bildeten sich Garagengemeinschaften, die sich um die Beschaffung des knappen Baumaterials und den Bau der Garagenkomplexe kümmerten. Gebaut wurde auf volkseigenen Böden, deren Besitzverhältnisse ungeklärt waren. Doch schon während der Bauphase wurden die Garagen durch die Gemeinschaft zum Teil zweckentfremdet. Denn die 4,75 m lange, 1,85 m hohe und 2,45 m breite Garage vom Typ „Dresden“ bot weitaus mehr Möglichkeiten, als nur ein wetterfester Stellplatz für den Familien-Trabant zu sein. So entwickelten sich Garagen schon damals zu Bastelstuben, Werkstätten und Ideenschmieden.
Garagenkomplexe sind das Biotop der Alltagskultur eines verschwundenen Staates. Noch heute sind die Garagen Freiräume in einer sonst kontrollierten Welt.
Luise Rellensmann, Architektur- und Kulturwissenschaftlerin an der Hochschule München. (Quelle: Sächsische Zeitung)
Noch heute gibt es in den neuen Bundesländern schätzungsweise rund zwei Millionen Einzelgaragen in Garagenkomplexen. Die zu DDR-Zeiten gebildeten Garagengemeinschaften existieren seit Jahrzehnten und haben sich zum Teil in Garagenvereine umgewandelt. Als Ort für Erinnerungen und Rückzugsnische sind sie auch heute noch in einigen Gebieten wichtige nachbarschaftliche Treffpunkte, die von Ordnungsämtern kaum bis nicht beachtet werden. Als kostengünstige Raumeinheit bieten die Garagen außerdem Platz für ausgelagerte Werkstätten und Räume für verrückte Start-Up-Ideen.
Der Bestand des Mikrokosmos „Garagenkomplex“ hat vor allem in Großstädten eine ungewisse Zukunft. Die Schaffung von neu benötigten Wohn- und Grünflächen steht im Kontrast zu verhältnismäßig inneffizient genutzten Flächen der Garagenkomplexe. Hinzu kommen die – seit der Wende veränderten – Eigentumsverhältnisse. In den seltensten Fällen ist der Garagennutzer zugleich auch der Besitzer. Die Pächter, die sich mit ihren Garagen auf kommunalen Flächen befinden, müssen sich immer mehr mit dem Gedanken abfinden, geräumt zu werden, um Platz für Wohnraum zu schaffen.
Dabei ist der Nutzen als sozio-kultureller Treffpunkt und der Raum für Kunst und Kultur nicht von der Hand zu weisen. Zudem steckt in den verhältnismäßig einfachen architektonischen Zeitzeugen meist ein hoher emotionaler Wert. Die Möglichkeiten des zu Erhalts prüfen, ähnliche Alternativen zu schaffen oder die Garagen in bestehende Pläne für nachbarschaftliches Zusammenleben einzubeziehen, könnten Ansätze für Gemeinden, Städteplaner, Bauherren und Architekten im Umgang mit den DDR-Garagen sein.
DDR-Garagenkomplexe sind schützenwerte Alltagsarchitektur im toten Winkel der Denkmalpflege.
Luise Rellensmann, Architektur- und Kulturwissenschaftlerin an der Hochschule München. (Quelle: Sächsische Zeitung)
Im Zuge der erfolgreichen Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 hat die Stadt Chemnitz das Projekt „#3000Garagen“ ins Leben gerufen, um sich genau mit diesem Mehrwert neben der reinen Nutzung als Abstellplatz auseinanderzusetzen und den gesellschaftlichen und kulturellen Nutzen der Standorte hervorzubringen. Aus Sicht des Klimaschutz könnten die bereits versiegelten Flächen ihren Beitrag für eine nachhaltige Energieversorgung leisten. So würde die Installation von Photovoltaikanlagen auf einem Garagenkomplex mit 30 Garagen rund 16 Haushalte mit nachhaltiger Energie versorgen.
Auch Deutschlandfunk Kultur hat über DDR-Garagen berichtet. Den Artikel zum Lesen und Hören gibt es hier.
Unsere Buchempfehlung zu dem Thema: Jens Casper, Luise Rellensmann „Das Garagenmanifest“.
Text: Till Bunzel
Fotos: @ Bricks Don‘t Lie, Robert Kaltschmidt (wenn nicht anders gekennzeichnet)
Das Jahrhunderthochwasser in Dresden im August 2002 hinterließ starke Schäden — was sich seitdem beim Thema Hochwasserschutz getan hat und wie unser Redakteur Stefan Mothes ganz persönlich die Ausnahmeflut erlebt hat.
Welche Rolle spielt die europäische Architektenschaft für die Transformation unserer gebauten Umwelt hin zu mehr Qualität und Nachhaltigkeit? Ruth Schagemann vom Architects‘ Council of Europe verrät es.