Im Gespräch mit der ehemaligen Senatsbaudirektorin von Berlin Regula Lüscher ging es um die Zukunft der Architektur, den Wandel des Berufsbildes und ihre ganz persönliche Motivation als Architektin und Stadtplanerin.
Autarkes Leben durch Rückzug auf das Wesentliche oder weltfremdes Wohnkonzept, welches im Alltag mittelfristig scheitert? An „Tiny Houses“ bzw. „Tinyhäusern“ scheiden sich die Geister. Dabei sind sie auch in Deutschland schon lange mehr als nur ein Trend (eine Studie schätzt das Marktpotential bis 2022 auf rund 3,9 Milliarden Euro). In Bezug auf die hohe Nachfrage spielen die Verknappung von Wohnraum und steigende Mietspiegel genauso eine Rolle, wie der Wunsch nach Wohneigentum und Unabhängigkeit. In Bezug auf Wohnfläche und Ausstattung gibt es beim Tiny House keine klare Definition. Puristen fühlen sich bereits auf 18 m² Wohnfläche wohl und stören sich auch nicht daran, dass ihre Behausung im Grunde genommen nicht mehr Komfort bietet als ein Wohnwagen mit Campingtoilette. Auf der anderen Seite gibt es Tiny House-Besitzer, deren luxuriös ausgestattete 70 m²-Zweigeschosser die Bezeichnung „tiny“ kaum noch verdienen und das ursprüngliche Konzept ad absurdum führen.
Unabhängig der Größe gilt in Deutschland: Sobald Tinyhäuser dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden, gelten sie als „Gebäude der Gebäudeklasse 1“ – egal, ob sie auf Rädern oder einem Fundament stehen. Daher bedarf es einer Bauerlaubnis (Ausnahme: Dauerstellplätze, Kleingartensiedlung). Spricht man mit Vertretern namhafter Tiny House-Hersteller, ist sich ein Großteil der Kaufinteressenten dieser Tatsache nicht bewusst. Bei ihnen herrscht immer noch die romantische Vorstellung, es reiche ein zuteilungsreifer Bausparvertrag und die Streuobstwiese der Großmutter, um fernab der Zivilisation ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen. In der Realität ist das Finden eines geeigneten Grundstückes – welches die Anforderungen für die Baugenehmigung erfüllt – jedoch eine Sisyphusarbeit, an der die meisten Tiny House-Liebhaber scheitern.
Ob sich der Kauf eines Tiny House überhaupt lohnt, ist eine Rechnung, die man mit spitzem Bleistift angehen sollte. Neben den Anschaffungskosten, hier mit 60.000 Euro kalkuliert, kommen noch Transportkosten, Aufstellung und Montage sowie der Grundstückserwerb mit Kaufnebenkosten hinzu. Auch kleinere Parzellen bekommt man im Speckgürtel einer mittleren Großstadt nicht geschenkt. Hier sollte man sich in der Tat die Frage stellen, ob man für rund 130.000 Euro nicht eher in eine 60 m²-Eigentumswohnung mit 10 m² Keller investiert und sich parallel dazu einen Kleingarten pachtet. Wer jedoch auf dem eigenen Grundstück leben möchte und auf die Trennung von Haus und Garten nicht verzichten will, für den ist ein Tiny House in jedem Fall eine Alternative zum Hausneubau oder dem Kauf und der Sanierung einer Bestandsimmobilie. Aus Sicht eines Kapitalanlegers kann ein Tiny House ebenfalls eine lohnende Investition sein und ist vom Geschäftsmodell her gut skalierbar.
Wer insgesamt dem Minimalismus frönt, für den bedeutet ein Tiny House nicht selten die lang ersehnte Unabhängigkeit. Obwohl der reduzierte Wohnraum wenig Möglichkeiten zur Optimierung bietet, gibt es für findige Köpfe auf anderem Weg genügend Raum zur Entfaltung. Obst- und Gemüsebeete, ein kleiner Vorratskeller im Außenbereich, ein Fahrrad- und Gerätschuppen oder auch ein Saunafass können maßgeblich zu mehr Lebensqualität beitragen. Aber auch dann muss man einige Nachteile in Kauf nehmen. Raum ist kostbar und nicht jeder möchte Bücher und Musik ausschließlich über Tablett und Digitalradio genießen. Auch unterschätzt man schnell, wieviel Papierkram sich im Laufe des Lebens ansammelt, welcher in physischer Form archiviert werden muss. Da in einem Tiny House so ziemlich alles im Sichtbereich ist, vermitteln schon ein paar benutzte Weingläser auf der Spüle und die Aktentasche im Flur ein Gefühl der Unordnung. Gäste sollte dies jedoch nicht stören, denn für die ist sowieso kein Platz. Damit muss man leben (können)…
Wer sich für ein Tiny House interessiert, sollte sich nicht nur Prospekte anschauen, sondern in jedem Fall auch einmal in Selbigem auf Probe gewohnt haben. Dafür empfiehlt sich eine Anlage mit verschiedenen Haustypen. So z.B. Deutschlands erstes Tiny House Village in Mehlmeisel im bayerischen Fichtelgebirge. Dies wurde 2017 auf einem ehemaligen Campingplatz gegründet und beherbergt auf rund 17.000 m² mittlerweile 23 Häuser. Dort finden sich klassische Tinyhäuser mit Spitz- und Flachdach, an Bauwagen erinnernde Modelle à la Peter Lustig, aber auch exotische Haustypen wie das „Igluhut“ aus Estland, welches mit einer kunstvoll geschindelten Außenfassade aus Fichte den Blick des Betrachters anzieht.
Text + Foto Innenraum: Stefan Mothes
Visualisierung: Mit freundlicher Genehmigung von iQ-Tinyhouse.eu
Titelbild: Shutterstock
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