03-2022
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Zweckdienlicher Voyeurismus am Bau

Von versteckter Kamera kann man auf keiner Baustelle mehr reden. Ziemlich deutlich wird in der Regel schon auf der Umzäunung darauf hingewiesen, dass ein unbefugtes Betreten verboten ist (und Eltern für ihre Kinder haften). Neben Haftungs- und Diebstahlaspekten haben Kameras auf Baustellen aber noch weitaus vielfältigere Funktionen. Aber betrachten wir erst einmal das Naheliegendste.

Aufkleber mit Aufschrift "Achtung! Videoüberwachung"
Hinweise auf Baustellenüberwachung per Kamera sind ein Muss. ©Pexels

Kampf dem Diebstahl und Vandalismus

Als Bauherr Martin H. am Montagmorgen als Erster die Baustelle betritt, fällt ihm sofort auf, dass die Verbindung zwischen zwei Bauzäunen aufgebrochen und einer der Bauzäune aus den Angeln gehoben wurde. Ihm schwant nichts Gutes. Bei der weiteren Inspektion der Baustelle stellt sich heraus, dass der Bauwagen ebenfalls aufgebrochen und Werkzeug gestohlen wurde. Im Außenlager haben sich die Langfinger zudem an den teuren Bodenfliesen, den Heizkörpern und den Waschbecken bedient. Greift hier die Bauleistungsversicherung? Vielleicht. Aber selbst in diesem Fall bedeutet der Einbruch für den Bauherrn ein gewaltiges Ärgernis. Es müssen in jedem Fall die entsprechenden Handwerksfirmen informiert werden und es ist zu erwarten, dass einzelne Gewerke erst am nächsten Tag wieder mit der Arbeit beginnen können. Ein empfindlicher Zeit- und Geldverlust.

Zwei Kameras an Gebäude
Überwachungskameras sind inzwischen auf vielen Baustellen im Einsatz. ©Pixabay

Eine Frage stellt sich. Hätte man den Diebstahl verhindern können? Mit speziell gesicherten, extra hohen Bauzäunen und einer umlaufenden Rolle Stacheldraht? Mit einer kleinen Meute von hungrigen Rottweilern? Oder mit einem Wachdienst, der von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang Patrouille läuft? Aber wer soll dies bezahlen? Für viele kleinere Baustellen muss es andere Lösungen geben. Gibt es auch. Eine – in Relation – preiswertere Diebstahl- und Vandalismus-Prävention ist die Installation von Überwachungskameras. Diese schrecken nicht nur potenzielle Diebe und Vandalen ab, sondern können auch zur Täteridentifikation beitragen, wenn das aufgezeichnete Material der Polizei übergeben wird.

Schon aus datenschutzrechtlichen Gründen empfiehlt es sich, nicht selbst zu experimentieren, sondern mit einem professionellen Anbieter zusammenzuarbeiten. Dieser positioniert die Kameras strategisch, installiert die notwendigen Verbindungen und stellt eine datenschutzkonforme Serverlösung her. Je nach Leistungsumfang wird bei Auffälligkeiten die Leitstelle, ein Sicherheitsdienst oder die Polizei verständigt. Ist das System mit einem Lautsprecher verbunden, können Personen über Lautsprecher angesprochen werden. Nicht immer muss es sich bei verdächtigen Personen um Straftäter handeln, oftmals sind es lediglich Neugierige, die man über eine Ansprache auf das Verlassen bzw. Nichtbetreten der Baustelle hinweisen kann. Um Fehlalarme zu vermeiden, verfügen leitstellengesteuerte Modelle über spezielle Algorithmen, die streunende Tiere, sich bewegende Äste oder flatternde Planen herausfiltern können. Hochmoderne Systeme mit Infrarottechnik können Personen nicht nur in vollkommener Dunkelheit erkennen, sondern auch auf mögliche Brandherde hinweisen. Über Web- bzw. App-Schnittstellen hat der Bauherr jederzeit Zugriff auf Livedaten und wird im Alarmfall (auf Wunsch) ebenfalls informiert.

Baustellendokumentation: Entstehung des Baus im Zeitraffer

Je nach Motiveinstellung kann verfolgt werden, wie ein Bau aus dem Nichts in die Höhe schießt. ©Pexels

Ein weiterer Einsatzbereich von Kameras am Bau ist die Baustellendokumentation. Gerade bei größeren Bauprojekten sind Zeitrafferaufnahmen ein beeindruckendes Instrument, um den Baufortschritt vom ersten Spatenstich bis zur Fertigstellung festzuhalten. Das entstandene Rohmaterial kann später für die Erstellung von Imagevideos oder als „Futter“ für Social-Media-Kanäle genutzt werden. Auch Architekten, Bauherren und Investoren schätzen es, wenn sie visuell über den aktuellen Stand ihres Projektes informiert werden. Für private Bauherren ist es eine schöne Erinnerung, sich noch Jahre später anzusehen, wie das eigene Haus innerhalb von Sekunden wie von Zauberhand aus dem Boden gestampft wurde. Wem normale Zeitrafferaufnahmen zu unspektakulär sind, der kann noch einen technischen Schritt weiter gehen und Hyperlapse-Aufnahmen nutzen. Bei dieser Technik wird der Kamerastandpunkt während der Aufzeichnungen über einen längeren Zeitraum fortlaufend verändert, was nochmal weitaus lebendigere Aufnahmen garantiert.

Klassische Bewegtbildaufnahmen können auch zur Vermeidung von Streitfällen innerhalb beteiligter Firmen beitragen und Verursacher von Schäden identifizieren. Dies wäre z.B. der Fall, wenn ein Baufahrzeug – ohne es zu merken – beim Zurücksetzen eine Palette mit Fliesen oder Fensterelementen beschädigt hat. Projektleiter können Videoaufnahmen vor allem für die Qualitätssicherung nutzen, z.B. um zeitliche Abweichungen im Baufortschritt zu erkennen und auszuwerten.

Je nach Einsatzzweck ist es bei der Baustellendokumentation wichtig, die Kamera(s) nicht nur nach strategischen, sondern (bei späterer Verwendung für Marketingzwecke) auch nach ästhetischen Grundsätzen zu positionieren. Dabei gilt es zu beachten, dass keine störenden Objekte im Blickfeld sind und die Kamera so positioniert wird, dass der Zielkorridor gut ausgeleuchtet ist, ohne dass die Kamera direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Je nach Zielmotiv kann es erforderlich sein, spezielle Objektive zu benutzen oder sogar auf spezielle Individuallösungen zu setzen. Dies wäre z.B. die Verwendung von zwei GoPro-Kameras mit extremem Weitwinkel für die Dokumentation des Ausbaus einer großen Halle im Innenbereich.

Was es in jedem Fall zu beachten gilt

Egal, ob Kameras am Bau zur Vermeidung von Diebstahl & Vandalismus oder zur Baustellendokumentation genutzt werden, ist es erforderlich, dass die Kameras eine permanente, ausfallsichere Stromversorgung haben bzw. über eine entsprechend redundante Akkutechnik verfügen.

Die richtige Ausrichtung der Kameras auf die Baustelle ist wichtig, damit Personen nicht ungewollt aufgenommen werden. ©Shutterstock

Auch das Thema Datenschutz ist eine heikle Sache. Aufgrund der hohen Bildqualität moderner Kameras ergibt sich schnell ein Eingriff in die Privatsphäre von Passanten und Autofahrern, wenn diese deutlich zu erkennen sind. Bei Verwendung von Kameras, die online übertragen, muss sichergestellt sein, dass unberechtigte Dritte keinen Zugriff auf das Bildmaterial haben. Wie bereits erwähnt, empfiehlt sich notwendigerweise die Zusammenarbeit mit einem professionellen Partner, der datenschutzkonform arbeitet und die entsprechenden Anforderungen umsetzen kann. Dies geht von der einfachen Festlegung des Bildausschnitts durch Zoomfaktor und Kamerastandort bis zur Verwendung einer Software zur Entfernung bzw. Verschleierung von Personen und Fahrzeugen.

Eine Verwendung von Kameras auf der Baustelle muss in jedem Fall gekennzeichnet sein. Wer sparen muss und Kamera-Attrappen verwenden möchte, kann zwar auf die Kennzeichnung verzichten, muss jedoch im Beschwerdefall den Nachweis erbringen, dass die Kamera wirklich eine Attrappe ist. Auch wenn diese nur der Abschreckung dient, muss sie auf das eigene Bauvorhaben gerichtet sein und darf nicht dem Nachbarn das Gefühl der Überwachung geben. Auch wenn die Überwachungskamera nur ein „Placebo“ ist, könnte sich der Nachbar in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sehen und die Überwachung als Nötigung auslegen.


Text: Stefan Mothes