03-2023
03-2023

Zukunftsweisendes Bauen in Deutschland — 5G-Baustelle, Plusenergiehaus und Cradle to Cradle

In den letzten Jahren hat die Bauindustrie immer innovativere Technologien und Konzepte hervorgebracht, um Bauprozesse effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger zu gestalten. In unserem Beitrag werfen wir einen Blick auf einige der neuesten Entwicklungen in der Bauindustrie – darunter 5G-Netze, nachhaltiges Bauen und das Cradle to Cradle-Konzept. 

5G und 4.0 als Pilotprojekt

Eine vielversprechende Technologie, die in der Bauindustrie Einzug hält, ist die Nutzung von 5G-Netzwerken. Diese ermöglichen hohe Geschwindigkeiten, geringe Latenzzeiten und eine breite Abdeckung. Eine Vielzahl von Anwendungen ist somit möglich.

Die digitalisierte 5G-Testbaustelle in Dresden und Hoyerswerda ist ein wegweisendes Beispiel dafür, wie moderne Technologien auf der Baustelle eingesetzt werden können, um den Bauprozess effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Das Projekt wurde von der Technischen Universität Dresden gemeinsam mit einem Konsortium aus 22 Unternehmen und fünf Forschungseinrichtungen durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Forschungsprogramms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ mit fünf Millionen Euro gefördert.

Selbstarbeitende und -fahrende Bagger und Radlader könnten die Baustellen der Zukunft bestimmen.
Renderings: © TU Dresden

Durch Sensorik und eine technologieübergreifende und herstellerunabhängige Vernetzung können Informationen jederzeit abgerufen werden.

Die Nutzung von 5G-Netzwerken auf der Baustelle kann Bauprozesse effizienter gestalten und Fehler reduzieren.

Sowohl in Dresden als auch zeitweise auf einem Gelände der Versorgungsbetriebe Hoyerswerda wurden autonome Baumaschinen und Drohnen mit 5G-Technologie gesteuert. Ein selbstarbeitender Mobilbagger, ein selbstfahrender Radlader sowie ein durch Teilautomatisierung einhändig bedienbarer Ladekran kamen dabei unter anderem zum Einsatz. Mithilfe von Sensorik und einer technologieübergreifenden und herstellerunabhängigen Vernetzungsarchitektur liegen alle wichtigen Informationen jederzeit vor. Dies ist die Grundvoraussetzung für einen weiteren Schwerpunkt im Projekt: die Entwicklung von digitalen Planungswerkzeugen und Baustellenmanagementsystemen. Diese tragen dazu bei, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gewerken zu verbessern und die Zusammenarbeit zu vereinfachen, um Fehler zu minimieren.

Die Testbaustelle in Dresden und Hoyerswerda ist damit ein wichtiger Schritt in Richtung Bauen 4.0 und zeigt, dass die Bauwirtschaft auch in Zukunft innovativ und zukunftsfähig sein wird. Es ist ein Pionierprojekt, das dazu beiträgt, die Möglichkeiten von 5G und anderen Technologien für die Bauindustrie zu erforschen und den Bauprozess effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Als konsequente Fortführung des bereits beendeten Verbundforschungsprojektes wurde am 6. Mai 2022 das „Construction Future Lab“ – kurz „CFLab“ – gegründet, welches seit 2023 aktiv ist und die in Bauen 4.0 entstandenen Demonstratoren weiterentwickelt und vorführt.

Weitere Informationen und den Downloadlink zur Abschlussbroschüre Bauen 4.0 gibt es unter folgendem Link: https://www.verbundprojekt-bauen40.de/blog-abschlussevent

Grünes Bauen und Plusenergiehaus

Ein wichtiger Faktor, der die Zukunft des Bauens maßgeblich beeinflussen wird, ist die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen und die CO2-Emissionen im Bauprozess zu reduzieren. In diesem Zusammenhang gewinnt das Konzept des „Grünen Bauens“ zunehmend an Bedeutung. Dabei geht es darum, Gebäude so zu planen und zu bauen, dass sie möglichst energieeffizient und nachhaltig sind. Dazu gehören unter anderem der Einsatz erneuerbarer Energien, die Verwendung recycelbarer Materialien und die Optimierung der Wärme- und Kälteisolierung.

Ein Beispiel für ökologisches Bauen und nachhaltige Architektur ist das Projekt „Wohnen im Plusenergiehaus“ in Frankfurt am Main. Das Projekt wurde von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding realisiert und umfasst drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 74 Wohneinheiten. Die Gebäude wurden im Passivhausstandard geplant und umgesetzt, der eine sehr gute Wärmedämmung, eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung und eine effiziente Haustechnik vorsieht. Das Passivhauskonzept ist sehr energieeffizient und kann dazu beitragen, den Energieverbrauch von Gebäuden um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Durch die konsequente Umsetzung des Passivhausstandards ist es den Architekten gelungen, den Energiebedarf der Gebäude auf ein Minimum zu reduzieren.

Das Energieplushaus in Frankfurt am Main von ABG Frankfurt Holding. Die drei zusammengefassten Mehrfamilienhäuser erzeugen mehr Energie, als sie verbrauchen.
Foto: © Herbert Kratzel

Die Energieversorgung erfolgt über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, die in Kombination mit einem Batteriespeicher und einem hocheffizienten Energiemanagementsystem dafür sorgt, dass die Gebäude mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Dadurch profitieren die Bewohner nicht nur von einem sehr niedrigen Energieverbrauch, sondern auch von sehr niedrigen Energiekosten. Die überschüssige Energie wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist und vergütet. Damit wird nicht nur die Energiewende unterstützt, sondern auch die Wirtschaftlichkeit des Projektes gewährleistet. Sämtliche Gebäude verfügen zudem über eine Fassadenbegrünung, die zur Verbesserung der Luftqualität und des Raumklimas beiträgt und die CO2-Bilanz des Projekts weiter verbessert. Auch eine natürliche Klimatisierung der Wohnungen im Sommer ist dadurch gewährleistet. Das Projekt „Wohnen im Plusenergiehaus“ zeigt, dass nachhaltiges Bauen nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch rentabel sein kann.

Von „der Wiege zur Wiege“

Nachhaltiges Bauen geht heute weit über Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien hinaus. Ein vielversprechender Ansatz ist das „Cradle to Cradle“-Konzept, das Produkte und Gebäude nachhaltiger macht, indem sie nach ihrer Nutzung vollständig in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt werden können, ohne schädliche Rückstände zu hinterlassen. Das bedeutet, dass die Materialien in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt und als Rohstoffe für neue Produkte verwendet werden können. Der Name „Cradle to Cradle“ bezieht sich auf das Konzept, dass alle Produkte am Ende ihres Lebenszyklus in einem „von der Wiege zur Wiege“-Prozess wiederverwendet werden können.

Ein gutes Beispiel für die Umsetzung des Cradle to Cradle-Konzepts sind das Holzhybrid-Bürogebäude „The Cradle“ in Düsseldorf, das vom Architekturbüro „HPP Architekten“ und dem Projektentwickler „Interboden“ konzipiert wurde und 2023 fertiggestellt werden soll. Dass es auf Akzeptanz stößt, zeigt die Tatsache, dass es bereits seit Sommer 2022 vollvermietet ist. Erwähnenswert ist auch das Wohnhochhaus „Moringa“ in der Hamburger Hafencity, das von „kadawittfeldarchitektur“ geplant und voraussichtlich 2024 fertiggestellt wird. Beide Gebäude zeichnen sich durch die Verwendung von nachhaltig produzierten und recycelbaren Materialien aus und minimieren das Abfallaufkommen durch den Einsatz ökologischer Baustoffe. Nach der Nutzung können alle Baustoffe zu 100 Prozent recycelt werden, ohne dass dabei Schadstoffe freigesetzt werden. Das Cradle to Cradle-Konzept bietet somit eine Möglichkeit, die Umweltbelastung zu reduzieren, indem Rohstoffe geschont und Abfälle vermieden werden. Um dies zu erreichen, wurden beispielsweise bei „The Cradle“ Holz als primärer Baustoff, Photovoltaik-Anlagen zur Energieversorgung sowie ein durchdachtes Wasser- und Energiekonzept eingesetzt. Beim „Moringa“-Haus wurde ebenfalls ein durchdachtes Energie- und Wasserkonzept umgesetzt, außerdem wurden recycelbare Materialien und eine Photovoltaikanlage verwendet. Auch hier zeigt sich, dass solche Projekte nicht nur ökologische Vorteile bieten, sondern auch wirtschaftlich rentabel sein können.

Die Zukunft des Bauens liegt in der Kreislaufwirtschaft: Schonung der Ressourcen, Einsatz nachhaltiger Stoffe und die Wiederverwendung von Bestehendem.
Foto: © Shutterstock

Die Zukunft des Bauens: Nachhaltigkeit und Effizienz im Einklang

Die Zukunft des Bauens wird sich auch in den kommenden Jahren um die Aspekte Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung drehen. Darüber hinaus wird der Einsatz innovativer und nachhaltiger Materialien wie Holz, Bambus und Recyclingmaterialien zunehmen und die Bauindustrie wird verstärkt erneuerbare Energien nutzen, um den Energiebedarf und den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Bildung und Forschung spielen dabei eine wichtige Rolle, um diese Entwicklungen voranzutreiben. Ein Beispiel dafür ist der Pop-up-Campus „Zukunft Bau“, ein gemeinsames Projekt des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung und der Universität Stuttgart. Der mobile Campus dient als Plattform für Wissenschaftler, Studierende und Vertreter der Wirtschaft, um sich auszutauschen und an zukunftsweisenden Bau- und Architekturprojekten zu arbeiten. Ziel des Projektes ist es, die Zukunft des Bauens durch nachhaltige und ressourcenschonende Ansätze zu gestalten. Ähnliche Projekte gibt es auch an anderen Universitäten, wie zum Beispiel an der TU Dresden mit dem „Zentrum für Ressourceneffizientes Bauen“ oder an der Universität Kassel mit dem „Fachgebiet Nachhaltiges Bauen“.

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Text: Stefan Mothes

Titelbild: © Herbert Kratzel