Als „Weihnachtsgeschichte der etwas anderen Art“ bezeichnete Liebherr das Video, das pünktlich zum Beginn der Adventszeit veröffentlicht wurde. Wir blicken hinter die Kulissen und zeigen, wie aus einer Küche eine Baustelle wurde.
Sich zur Ruhe setzen ist nichts für Gerhard Feldmeyer. Entspannung heißt für den 67-Jährigen die abendliche Sachbuchlektüre. Nicht etwa Belletristik, sondern Fachbücher zu den unterschiedlichsten Themen wie Kreislaufwirtschaft, Klimawandel, Digitalisierung, Chemie und Physik oder Politik liegen auf seinem Tisch. Sein Ziel und seine Motivation: Die Transformation der Bau- und Immobilienbranche mit seinem Wissen voranzutreiben.
„Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, sich wirklich zu 100 Prozent auf diese komplexen Themen zu fokussieren. Das war als geschäftsführender Gesellschafter nicht möglich. In meinem letzten Jahr bei HPP habe ich dann sehr intensiv nachgedacht und mich gefragt, womit ich mich in den kommenden Jahren beschäftigen möchte.“
Sehr reflektierte und selbstkritische Gedanken eines Mannes, der sich sehr wohl in den verdienten Ruhestand hätte verabschieden können. Nach 33 Jahren bei HPP Architekten in Hamburg, Berlin und Düsseldorf mit langjähriger Führungsverantwortung für mehr als 500 Mitarbeiter und 13 Standorte ging Gerhard Feldmeyer Ende 2022 altersbedingt in den „Ruhestand“, wie es vom Gesellschaftsvertrag vorgesehen war. Aber von Ruhe keine Spur. „Es kam für mich nicht in Frage, mir irgendwo im Süden einen Zweitwohnsitz zuzulegen, um dann monatelang von der Bildfläche zu verschwinden“, so der leidenschaftliche Architekt und Innovationsdenker.
Der gebürtige Aalener, der schon als Jugendlicher Architekt werden wollte, ist aktiver denn je, hat sich gänzlich seiner neuen „Mission“ als „Beschleuniger der Bauwende“ verschrieben, recherchiert und schreibt, ist als Speaker unterwegs und besucht regelmäßig Hersteller von Bauprodukten in ganz Deutschland, um frühzeitig von Innovationen zu erfahren und Impulse zu geben. Seit Januar 2023 wirkt er bei Moringa, der „ökologischen Schwester der Landmarken AG“, an der Entwicklung von Projekten mit „ganz besonderen ökologischen Merkmalen“ mit und fungiert darüber hinaus als Botschafter für Madaster.
Madaster, 2017 in den Niederlanden als Stiftung gegründet, ist eine digitale Plattform zum Aufbau eines Materialkatasters mit Daten zu Zirkularität, Wert der verbauten Materialien und CO2-Fußabdruck eines Gebäudes. Anhand eines daraus entstehenden Gebäuderessourcenpasses sollen Gebäude transparent bewertet werden können und als Rohstofflager verstanden werden.
„Ich hatte schon länger den Wunsch, mich einem Start-up anzuschließen, einem jungen Unternehmen, wo es noch Entwicklungsbedarf gibt“, so Feldmeyer. Mit seinem Netzwerk und seiner Erfahrung in der Branche tritt er als Katalysator auf und wirkt zudem in der Strategieentwicklung von Madaster mit.
Die Anfragen großer Industriekonzerne für seine Zeit nach HPP habe er ausgeschlagen. Zu groß die Sorge vor Greenwashing und moralischen Zwickmühlen. Seine jetzigen Tätigkeiten übe der Architekt vorrangig ehrenamtlich aus. „Es geht mir darum, etwas Sinnstiftendes zu tun. Außerdem ist mir wichtig, in der jetzigen Schaffensperiode kompromissloser, in gewisser Weise auch radikaler denken zu können.“
Schon immer sei er offen und neugierig gewesen, Dinge tiefer zu ergründen, von denen er nicht wusste, wie sie funktionierten. Seine Neugier führte ihn bereits 1984 nach dem Architekturstudium in Stuttgart für ein Jahr nach Japan. Was heute gang und gäbe ist, war damals ungewöhnlich und exotisch. „Wer macht denn sowas?“, bekam er aus seinem Umfeld zu hören. So sei die Zeit aber Türöffner für seine gesamte weitere berufliche Entwicklung gewesen und habe ihm „gut getan“. Diese Horizontweite mag es sein, die den Architekten auch heute antreibt, nach vorne zu denken.
Man darf einfach nicht reflexbasiert weitermachen, so wie man die Dinge jahrzehntelang gemacht hat. Es bedarf eines neuen Bewusstseins.
Gerhard Feldmeyer
Feldmeyers Erfahrungen im internationalen Kontext waren es jedoch auch, die ihn frühzeitig nachdenklich stimmten. „Ich war viel in Wachstumsregionen und ihren Megacities unterwegs, zum Beispiel in China, mit der gewaltigen Bautätigkeit. Da hatte ich mich schon länger gefragt: ‚Wo holen die das ganze Zeug her – diesen ganzen Stahl, Beton, die Aluminiumpaneele, all das Glas?‘“
2017 kam es dann zu einem konkreten Ereignis, das einen Wendepunkt im Leben des Architekten markieren sollte: Die Stadt Düsseldorf hatte ein Grundstück ausgeschrieben, bei welchem das Kriterium Nachhaltigkeit besonders hoch bewertet wurde. Gemeinsam mit dem Projektentwickler Interboden habe man sich vorgenommen „die gebotene Chance zu ergreifen“.
Gerhard Feldmeyer, der bis zu jenem Jahr noch nie von Cradle to Cradle gehört hatte, hatte durch einen „glücklichen Umstand“ kurz vorher aus Neugier an einer Konferenz zu genau diesem Thema teilgenommen. „Da war eine unschlagbare Logik in dieser Thematik.“ Wie „vom Blitz getroffen“ sei ihm klar geworden, dass man nicht dauerhaft linear weiterwirtschaften könne. „Dieser gigantische Ressourcenverbrauch und am Ende alles Müll“, zeigt er sich betroffen. „Es reicht nicht, für die nächsten 20 Jahre zu denken, wir müssen hunderte Jahre weiterdenken, eigentlich für die Ewigkeit.“
Den Zuschlag für das Projekt haben der Projektentwickler Interboden und HPP Architekten schließlich bekommen. Seit Ende letzten Jahres steht im Hafen von Düsseldorf „The Cradle“, nach sieben langen Planungs- und Baujahren, in denen Feldmeyer und sein Team selbst noch viel lernen mussten. In Holzhybridbauweise errichtet und zu über 90 Prozent rückbaubar ist es Aushängeschild und Leuchtturmprojekt der Stadt zugleich und hat in der Branche große Wellen geschlagen.
„Meine [ehemaligen] HPP Kollegen wollen eigentlich nur noch so bauen. Und es geht! Es ist eine Frage des Mindsets und des Bewusstseins. Man darf einfach nicht reflexbasiert weitermachen, so wie man die Dinge jahrzehntelang gemacht hat. Es bedarf eines neuen Bewusstseins. Wir müssen in der aktuell schwierigen Phase des Immobilienmarktes stärker denn je um dieses ‚neue Bauen‘ kämpfen und es nicht gleich wieder auf dem Altar einer zu eng gefassten wirtschaftlichen Betrachtung opfern.“
Heute bedaure Gerhard Feldmeyer, nicht schon früher bewusster über die Zusammenhänge nachgedacht zu haben und dass er als Architekt viele Dinge gemacht habe, die aus heutiger Sicht nicht richtig seien. „Getrieben von Designgedanken haben wir versucht, die Defizite mit immer mehr Technik auszugleichen, koste es was es wolle“. Eine Architektur, die in Harmonie mit der Natur stehe, natürliche Phänomene nutze und mit wenig Technik auskomme, sei heute für ihn berührend.
Berührt ist Feldmeyer auch von der Unterstützung seiner Familie. „Wir haben viel diskutiert und für uns ein neues ökologisches Bewusstsein entwickelt, das wir heute als Bereicherung empfinden. Meine Söhne haben mir gesagt, dass sie toll finden, was ich jetzt tue. Das ist eigentlich für mich die schönste Erkenntnis gewesen, Dinge in Bewegung zu bringen und einen Beitrag für einen bewussteren Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten.“
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Text: Marit Albrecht
Fotos: © Chris Rausch
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