09-2022
09-2022

Auf dem Trockenen sitzen erwünscht — Hochwasserschutz beim Bau

Hochwasser und Überschwemmungen haben in den letzten Jahren in Deutschland gesamtwirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Besonders hart traf es 2002 und 2013 den Freistaat Sachsen und erst jüngst 2021 die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Als Reaktion darauf wurde das nationale Frühwarnsystem verbessert und auf Landesebene sehr viel in den Hochwasserschutz investiert. Auf privater Ebene liegt es jedoch in der Eigenverantwortung eines jeden Bauherren, sich gegen die Folgen etwaiger Wasserschäden zu schützen. Dazu gibt es kommunale Vorgaben und Empfehlungen – und dies ist auch notwendig. Sich auf staatliche Hilfen und Versicherungen (erweiterte Naturgefahrenversicherung/Elementarschadenversicherung) zu verlassen, sollte nicht die alleinige „Prävention“ sein, denn in den meisten Fällen sind die entstandenen Schäden nicht so einfach mit Geld zu kompensieren. Zudem verweigern auch Versicherungen die Leistung, wenn der Bauherr auf notwendige Vorkehrungen beim Neubau verzichtet hat. 

Mögliche Gebäudeschäden durch Hochwasser

– Beschädigung von Fassade, Fenstern und Außenanbauten durch Treibgut

– Wasserschäden am Mauerwerk

– Holzschäden (Geländer, Balken, Holzbalkendecken)

– Beschädigung elektrischer Installationen 

– Beschädigung bzw. Zerstörung von Bodenbelägen, Einrichtungsgegenständen und Tapeten

– Austritt von gesundheitsschädlichen Stoffen wie Lacken oder Ölen

– Beeinträchtigung der Statik durch Ausspülungen und Unterspülungen des Fundaments

– Einschränkung oder Unterbindung der Nutzung zu Wohn- oder Gewerbezwecken 

– Längerfristige Geruchsbelästigung (Schlamm, Moder)

Schwer in Mitleidenschaft gezogenen Häuser durch Flutschäden. Neben dem Abschluss einer eventuellen Elementarschadenversicherung liegt es in der eigenen Verantwortung, sich über Hochwasserschutzmaßnahmen zu informieren.
Foto: © Shutterstock

Maßnahmen zum präventiven Hochwasserschutz

„Beste Abwehr von Schlag: nicht da sein“ – dieses Zitat von „Mr. Miyagi“ aus dem Filmklassiker „Karate Kid“ lässt sich auch beim Hochwasserschutz anwenden. Gebäude können zum Beispiel auf einer künstlichen Anhöhe erbaut oder auf Sockeln bzw. Stelzen errichtet werden, um dem Wasser von vornherein keine Angriffsfläche zu bieten. Ob dies überhaupt eine Option ist, darüber entscheiden die topographischen Gegebenheiten, der Gebäudetyp und die Akzeptanz, die einhergehenden Mehrkosten zu tragen. Auf ein Kellergeschoss zu verzichten, nimmt dieses zwar aus der Schusslinie, schützt aber nicht das Erdgeschoss vor Hochwasser. Sinnvoll ist es jedoch, technische Anlagen nicht im Keller, sondern in den Obergeschossen oder im Dachboden unterzubringen. Wie und wo genau Anschlüsse hochwassersicher installiert werden, regeln die DIN-Normen 18012 und 18015-1. 

Um das Kellergeschoss gegen Grundwasser abzudichten, ist die Errichtung einer sogenannten „Wanne“ eine zielführende Maßnahme. Dabei gibt es drei verschiedene Ausführungen. Bei einer „weißen Wanne“ werden Kellerwände und Fundament aus (wasserfestem) Stahlbeton gegossen. Die Abdichtung der Elemente erfolgt durch Fugenbänder. Bei einer „schwarze Wanne“ werden die Außenwände mit Bitumen oder Kunststoff abgedichtet. Eine Kombination der genannten Varianten ist die sogenannte „braune Wanne“. Hierbei wird ein erhöhter Durchlässigkeitsbeiwert erreicht, indem der Stahlbeton zusätzlich mit einer geotextilen Bentonit-Trägermatte ummantelt wird. 

Schwere Überschwemmungen in den Niederlanden im Sommer 2021. Eine grundlegende präventive Maßnahme: technische Anlagen nicht im Keller lagern.
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Unabhängig von der Auswahl der drei Abdichtungsformen sollte beachtet werden, dass Wände und Bodenplatte entsprechend dimensioniert sind. Um einen Auftrieb des Hauses zu verhindern, muss unter Umständen die Bodenplatte aus Schwergewichtsbeton gefertigt werden oder es müssen Verankerungen verbaut werden. Es ist daher ein Muss, bei der Planung einen Architekten oder Bausachverständigen zu Rate zu ziehen, der die Region (und die bisher gemessenen Wasserstände) kennt und die nötige Expertise hat, um Gefährdungen durch Starkregen, Grundwasseranstieg, Rückstau und Hochwasser im Allgemeinen beurteilen zu können. Ein Architekt hat die Pflicht, über Hochwassergefahren zu informieren und bei der Planung mit zu berücksichtigen. Eine Beratung durch einen thematisch ungeschulten Fertighausverkäufer ist in keinem Falle ausreichend.

Um zu verhindern, dass sich durch Rückstau Schmutzwasser aus der öffentlichen Kanalisation wieder seinen Weg zurück ins Haus bahnt, müssen Rückstauverschlüsse oder Abwasserhebeanlagen (Pumpen) installiert werden. Auch wenn das Kellergeschoss durch eine „Wanne“ entsprechend abgedichtet ist, besteht immer noch die Gefahr, dass Wasser durch die Kellerfenster eindringen kann. Diese sind in der Regeln nach innen öffnend, sodass durch den Wasserdruck die Dichtungen herausgedrückt oder die Fenster komplett aufgesprengt werden können. Hochwasserschutzfenster sind so konstruiert, dass sie sich nach außen öffnen und durch den Wasserdruck nur noch fester in den Rahmen gepresst werden. Gegen Wassereintritt durch Außentüren gibt es spezielle, wasserdichte Hochwassertüren, die jedoch sehr teuer sind. Normale Türen können flexibel mit einer mobilen Schottwand oder einem Dammbalkensystem nachgerüstet werden.

Insgesamt müssen für einen hochwassergeschützten Neubau sämtliche Baumaterialien, die mit dem Wasser in Berührung kommen, eine entsprechende Eignung haben, um dem Wasser standzuhalten oder zumindest keine funktionsmindernden Schäden davonzutragen. Dazu zählen unter anderem das verwendete Putzmaterial und die Dämmung. Sperrputz dient als bewährter Feuchtigkeitsschutz und formstabile Dämmstoffe verlieren im Gegensatz zu herkömmlichen Dämmstoffen durch Wassereinwirkung nicht ihr Dämmfähigkeit.

Kontrolliertes Fluten

Eine Strategie, die ebenfalls beim Hochwasserschutz zum Einsatz kommt, ist ein kontrolliertes Fluten des Gebäudes mit (sauberem) Nutzwasser. Hier weicht man bewusst dem Wasserdruck aus, der die Bodenplatte aufbrechen und die Außenwände eindrücken bzw. beschädigen könnte. Das eindringende Wasser erhöht die Gebäudelast und verhindert den Auftrieb des Gebäudes. Durch die Nutzung von Nutzwasser werden auch größere Verschmutzungen weitestgehend vermieden. Für das gezielte Fluten des Gebäudes müssen jedoch Flutöffnungen installiert werden. Auch muss von vornherein darauf geachtet werden, dass technische Anlagen in den Obergeschossen angebracht werden, sodass der Keller im Ernstfall nur geräumt werden muss. In diesem Zusammenhang versteht es sich von selbst, auf Tapete, Holzpaneele, Teppichbelag oder Parkettboden zu verzichten.

Notfallausrüstung

Auch wenn von baulicher Seite das Eigenheim bestmöglich gegen Wasserschäden geschützt ist, sollte man sich als Bewohner in Risikogebieten zusätzlich darauf vorbereiten, notfalls ein paar Tage ohne Strom und ohne die Möglichkeit des Einkaufens zu überstehen. Dies muss nicht in Survival oder „Prepping“ ausarten, aber ausreichend Trinkwasser, konservierte Lebensmittel, Batterien, Taschenlampen, Kerzen, Campingkocher, Campingtoilette und ein Notstromaggregat sind vertretbare Anschaffungen. Nicht vergessen sollte man zudem einen Notfallplan, der festlegt, wie man sich während und besonders nach dem Hochwasser verhält (z. B. Umgang mit elektrischen Anlagen, Trockenmaßnahmen).

Ein Vorrat an Konservendosen für den Ernstfall ist kein Fehler.
Foto: © Unsplash

Nicht wenige Hausbesitzer haben nachträglich selbst Schäden am Fundament verursacht, indem sie den gefluteten Keller abgepumpt haben, bevor der Grundwasserspiegel unter das Bodenniveau gesunken ist. Dies lässt sich vermeiden, indem man auch das „Danach“ in die Hochwasserschutzmaßnahmen einbezieht.

Hochwasserschutzfibel vom Bundesministerium

Als weiterführende und vertiefende Lektüre zum Thema empfehlen wir die Hochwasserschutzfibel vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Sie kann über die Internetseite der Bundesregierung heruntergeladen werden und informiert detailliert zu Hochwasservorsorge und privater Bauvorsorge.


Text: Stefan Mothes

Titelbild: © Chris Gallagher, Unsplash