02-2022
02-2022

Die Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes — Weitere Preissteigerung, Preisregulierung oder großer Knall?

Früher war alles besser. Und billiger. Mit diesen „Perlen“ des Small-Talks konnte man schon zu Bismarcks Zeiten ein gehaltloses, versiegendes Gespräch am Laufen halten. Hier konnte jeder mitreden und seinen Senf dazugeben. Ob alles immer besser war, sei dahingestellt. Über einen generellen Preisanstieg kann man schwer debattieren. Besonders deutlich (und oft öffentlich angeprangert) wird dies vor allem bei den Benzinpreisen und den Kosten für Miete oder Erwerb von Wohnraum. 

Die aktuelle Lage

Deutschlandweit betrachtet zahlten die Deutschen im Jahr 1990 im Durchschnitt noch 6,79 Euro pro Quadratmeter für die Neuanmietung einer Wohnung. 2020 waren es durchschnittlich 12,62 Euro. Aufgerundet entspricht dies einem Anstieg von 86 Prozent. Gerade in den Großstädten sind die Immobilienpreise auf Rekordniveau, besonders die Metropolen in den alten Bundesländern. Spitzenreiter bei den Nettokaltmieten* ist aktuell die bayerische Landeshauptstadt München mit 19,37 Euro pro Quadratmeter, gefolgt von Frankfurt (16,11 Euro), Stuttgart (15,22 Euro) und Berlin (14,75 Euro). 

* Die Zahlen beziehen sich auf das 4. Quartal 2021 (Quelle: Statista)

München hat die höchsten Nettokaltmieten Deutschlands. Foto: Pixabay

Der Speckgürteleffekt

Bei den relativen Werten, also der Mietpreisentwicklung in Prozent, sind es längst nicht mehr die Großstädte, die ganz oben stehen, sondern das Umland und die kleineren Städte. Hier schlägt der Speckgürteleffekt ganz besonders zu Buche. Dies ist nicht überraschend. Wem das Leben in der Großstadt zu teuer wird, der zieht aufs Land und tauscht die Nähe zum Arbeitsplatz gegen preiswerteres Wohnen und ein weitaus ruhigeres Leben im Vergleich zur Großstadthektik. Ein gutes Nahverkehrsnetz macht dies für Pendler durchaus erträglich. 

Aber warum steigen die Immobilienpreise seit Jahrzehnten? Ist es überhaupt gerechtfertigt, sich darüber zu echauffieren? Hier gibt eine nähere Betrachtung der einzelnen Faktoren Aufschluss. 

Nettokaltmiete vs. realer Mietpreis

Während bei den statistischen Bewertungen immer die Nettokaltmiete herangezogen wird, zählt für den Mieter das, was er am Ende für das Wohnen zahlen muss. Da fließen auch die Mietnebenkosten, in denen unter anderem Gas, Wasser und auch Hausmeisterdienste enthalten sind, mit ein. Hinzu kommen die Kosten für Strom, die mit einem externen Versorger abgerechnet werden. Sowohl Energie- als auch Lohnkosten (Mindestlohn) sind in den letzten Jahren fast noch stärker gestiegen, sodass für Mieter von dieser Seite aus noch eine größere Belastung hinzugekommen ist.

Höhere Kosten bei Neuvermietung

Durch §§ 558–558e BGB ist eine Grenze bei Mietpreiserhöhungen gegeben. Somit liegt der durchschnittliche Mietpreis bei einer Bestandswohnung deutlich geringer als bei dem, was Neumieter zahlen müssen. Investoren, die auf „Fix & Flip“ setzen (also Renovierung und schneller Weiterverkauf zu höherem Preis), nutzen dies, indem sie heruntergekommene Wohnungen kaufen, dort einsteigen, wo kurzfristige Mieterwechsel zu erwarten sind oder ggf. auch Mieter mit einer Abstandszahlung zu einem Auszug bewegen. Diese Praktik hat in der Tat zu einem rasanten Anstieg der Miet- als auch Kaufpreise geführt.

Kosten für Bau- und Sanierung

Ein weiterer Preistreiber sind die Kosten für Neubau und Sanierung von Immobilien. Durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) werden insgesamt höherwertige Baumaterialien benötigt; und auch so sind die Baustoffkosten im letzten Jahr rasant gestiegen. Besonders betroffen ist das Gewerk der Zimmer- und Holzbauarbeiten, bei dem die Preise von November 2020 zu November 2021 um rund 39 % gestiegen sind. Vor allem China und die USA lechzen nach deutschem Holz, was sich auf dem innerdeutschen Markt negativ bemerkbar macht. Umgekehrt haben Corona-bedingte Lieferengpässe und gestiegene Transportkosten die Preise für importierte Baumaterialien steigen lassen. Gestiegene Lohnkosten kommen natürlich auch hier zum Tragen.

Foto: Pixabay

Immobilien als Investment

Immobilien sind als Investment gefragter denn je. Gerade in wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch gespannten Zeiten ist „Betongold“ nach wie vor die sicherste Anlage. Im Vergleich zu Aktienanlagen sind sie weniger volatil und setzen auch weniger Fachkenntnis voraus. Kommt hier noch ein niedriges Zinsniveau hinzu, ist es nicht verwunderlich, dass eine Anlage in Immobilien wieder „hip“ geworden ist, was durch zahlreiche Investorenblogs- und -podcasts noch befeuert wird. Zudem hat sich bemerkbar gemacht, dass verstärkt auch ausländische Investoren in Deutschland aktiv sind und hierzulande auf Schnäppchenjagd gehen. Da Mieteinnahmen die Verzinsung des gebundenen Kapitals darstellen, sind es nicht nur die „bösen“ Immobilienspekulanten, sondern auch die kleineren Kapitalanleger, die für steigende Mietpreise sorgen. Gemäß Angebot und Nachfrage wirkt sich die hohe Nachfrage damit auch auf die Immobilienkaufpreise aus.

Eine Zukunftsprognose

Bei all der Diskussion über steigende Mietzinsen sollte man die Kirche im Dorf lassen. Solange sich die Preise auf dem Immobilienmarkt (Kauf und Vermietung) im Rahmen der Inflationsrate (als Veränderung des Verbraucherpreisindex) entwickeln, kann man lediglich – wie eingangs erwähnt – sagen „alles wird teurer“. Dies ist für den Bürger nicht angenehm, aber wird für einen Großteil der Arbeitnehmer zumindest durch ein gestiegenes Lohnniveau etwas kompensiert. Von einer Immobilienblase zu sprechen, wäre falsch, aber einige Spekulanten werden sicherlich ihre Erwartungen in den nächsten Jahren etwas dämpfen müssen. Dies betrifft nicht nur überteuert erworbene Eigentumswohnungen und Baugrundstücke in den Boom-Städten, sondern auch strategische Einkäufe auf dem Land, deren Wertzuwachs nicht in dem Maße voranschreiten könnte, wie erwartet. Auch Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch warnte im November 2020 vor einer Überhitzung auf dem Immobilienmarkt: „Unseren Berechnungen zufolge liegen die Preise von Wohnimmobilien um 10 bis 30 Prozent über dem Wert, der durch Fundamentaldaten gerechtfertigt ist. Das sehen wir zunehmend auch außerhalb der Ballungsräume.“ Aber wie auch an der Börse, sind „Fundamentaldaten“ eben nur Indikatoren und kein Wegweiser. Daher kann man von einer Preisregulierung ausgehen, muss jedoch den großen „Knall“ ins Kalkül ziehen, wie ihn beginnend 2007 die Vereinigten Staaten erleben mussten.


Text: Stefan Mothes

Titelbild: Pixabay