08-2022
08-2022

Nachhaltig, langlebig und ressourcenschonend — Carbonbeton: Baustoff der Zukunft?

Vorbei sind die Zeiten, als Häuser noch aus Lehm gebaut wurden. Auch Ziegelbauten hatten ihre Ära. Holzhäuser haben zwar immer noch ihre Daseinsberechtigung, aber heutzutage werden massive Bauten üblicherweise aus Beton errichtet. Genauer gesagt, Stahlbeton, denn zur Verstärkung der tragenden Elemente werden Stahlgitter in den Beton eingegossen. Dies hat sich bewährt und ist in Herstellung und Anwendung eine simple Angelegenheit. Bisher zumindest, denn findige Köpfe haben bereits kurz vor der Jahrtausendwende damit begonnen, an einem Werkstoff zu forschen, der eine deutliche höhere Lebensdauer hat und maßgeblich Ressourcen schont. Die Rede ist von Carbonbeton. Im Gegensatz zur Verwendung von Stahlelementen zur Bewehrung übernehmen beim Carbonbeton textilartige Kohlenstofffasern (Carbon) diese Rolle. Bei der Herstellung werden tausende Carbonfasern zu einem Garn zusammengefasst und zu einer Gitterstruktur verarbeitet. Die daraus entstandenen „Matten“ zeichnen sich durch hohe Tragfähigkeit, Flexibilität, Verformbarkeit und auch Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Temperaturen aus.

Ursprünge und Anwendungen

Ein Jahr nach der innerdeutschen Wende versuchten Wissenschaftler einer Forschungsgemeinschaft der Universitäten Dresden und Aachen erstmalig, Matten aus Textilfasern anstelle von Stahlgittern zur Verstärkung von Beton zu verwenden. Nach anfänglichen Bedenken wurde der Ansatz stringent weiterverfolgt und bekam letzten Endes satte 45 Millionen Euro Fördermittel vom Bundeministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Bauforschungsprojekts „C3“ (Carbon Concrete Composite). Im Zuge dessen entstanden Zweckverbände, aber auch fachlich spezialisierte Unternehmen wie z.B. die Firma „CARBOCON“, einer der führenden Dienstleister rund um den Baustoff Carbonbeton. 

Nachdem das neue Verbundmaterial anfangs vor allem für die Verstärkung bzw. Sanierung von Gebäuden und Brücken eingesetzt wurde, entsteht in Dresden das weltweit erste Bauwerk, welches komplett aus Carbonbeton gefertigt wird. Das futuristische Gebäude mit dem Namen „Cube“ befindet sich in direkter Nachbarschaft zur TU Dresden und wird exemplarisch als repräsentierendes Leuchtturmprojekt für die neue Bauweise stehen. Zudem wird es als Studienobjekt in Bezug auf die Langzeittauglichkeit von Carbonbeton aus bauphysikalischer Sicht dienen. Die Rohbauarbeiten sind mittlerweile abgeschlossen, das symbolische Richtfest fand am 3. Februar 2022 statt und die Fertigstellung ist für Herbst 2022 anvisiert.

Das erste aus Carbonbeton hergestellte Gebäude…

Foto: © Stefan Mothes

…im Universitätsviertel Dresdens.

Foto: © Stefan Mothes

Besonderheit: Die sogenannte „TWIST-Schalung“, eine geschwungene Dach-Wand-Konstruktion,…

Foto: © Stefan Mothes

…die die Funktion der Trag- und Wetterschale innehat.

Foto: © Stefan Mothes

Herkömmlicher Beton vs. Carbonbeton

Stahlbeton ist mit 70 Millionen verbauten Kubikmetern pro Jahr Deutschlands meist verwendeter Baustoff. Durch die Kombination der Druckfestigkeit von Beton und der Zugfestigkeit von Stahl ist der Verbundwerkstoff sehr robust und belastbar. Stahlbeton hat jedoch den Nachteil, dass der verwendete Stahl irgendwann einmal rostet. Simple Physik. Die Korrosion führt unweigerlich dazu, dass die entsprechenden Gebäude und Bauwerke nach einer Laufzeit von 50 bis 80 Jahren einer Sanierung unterzogen werden müssen. Nicht umsonst ist schleichende Korrosion der größte Feind aller Brücken. Um ihr zumindest temporär entgegenzuwirken, ist es notwendig, eine möglichst große Schicht Beton um den Stahl zu legen. Dies bedeutet die Verwendung vergleichsweiser hoher Mengen Kies, Sand, Wasser und Zement. Dies muss man ihm zur Last legen. Für Stahlbeton spricht, dass er in der Herstellung aktuell noch sehr billig ist und die verwendeten Stahlbewehrungen leicht automatisiert hergestellt werden können.

Um das Thema Korrosion braucht man sich bei Carbonbeton keine Sorgen machen, da die Fasern naturbedingt nicht rosten können, was Bauwerken aus Carbonbeton eine Lebensdauer von bis zu 200 Jahren beschert. Bei vergleichbarer Festigkeit benötigt die Herstellung von Carbonbeton bis zu 80 Prozent weniger Material. Energiebedarf und CO2-Ausstoß werden um die Hälfte reduziert. Auch lässt sich das verwendete Material recyceln und später wieder in den Nutzungskreislauf bringen. Man darf jedoch nicht unerwähnt lassen, dass die reine Herstellung von Carbonbeton zurzeit noch sehr viel kostenintensiver im Vergleich zu Stahlbeton ist. Hinzu kommt, dass aktuell die automatisierte Herstellung von Carbonbetonelementen noch in den Kinderschuhen steckt. Dies wird jedoch durch die Materialersparnis und (durch Gewichtseinsparung) niedrigere Transportkosten weitestgehend amortisiert. Erwähnt werden muss aber auch, dass zur Herstellung der Carbonfasern Erdöl verwendet wird. Dieser fossile Brennstoff wird im Zuge der Energiekrise nicht billiger. Forscher arbeiten jedoch mit Hochdruck an neuen Herstellungsverfahren, bei den Ligninen eingesetzt werden könnten. Dies sind Stoffe, die in die pflanzliche Zellwand eingelagert werden und die Verholzung der Zelle bewirken. Die Wissenschaft schläft also nicht und es ist zu erwarten, dass die genannten „Kritikpunkte“ sukzessive bereinigt werden. Dipl.-Ing. Romy Adam vom Institut für Baubetriebswesen an der TU Dresden kommt in ihrer Publikation „Eine wirtschaftliche Bewertung von Carbon- und Stahlbetonbauteilen“ bereits jetzt zu dem Schluss, „[…] dass eine ressourcenschonendere Bauweise mit Carbonbeton möglich ist […]“.

Carbonbewehrung und Demonstrationsbauteile aus Carbonbeton.
Foto: © CARBOCON GmbH

Die Zukunft des innovativen Baustoffs

Über den Stellenwert und die Zukunft von Carbonbeton sind sich Experten aus Forschung und Wirtschaft einig. Manfred Curbach, Direktor des Instituts für Massivbau an der TU Dresden und Vorstandsvorsitzender des Verbands „C³ – Carbon Concrete Composite“, sieht laut eigener Aussage kaum mehr Zukunft in der Verwendung von herkömmlichem Stahlbeton, da dessen Produktion nicht mehr zeitgemäße Menge an Ressourcen verschlingt. Manfred Curbach, der unter anderem auch Bauherr des bereits erwähnten „Cube“ ist, rechnet innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren damit, dass im Baugewerbe eine „Wachablösung“ zugunsten von Carbonbeton stattfinden wird. 

Ausführung der Verstärkungsarbeiten der Hyparschale in Magdeburg mit Carbonbeton.

Foto: © CARBOCON GmbH

Mit Carbonbeton instandgesetzte…

Foto: © CARBOCON GmbH

…Dachstruktur der Hyparschale in Magdeburg.

Foto: © CARBOCON GmbH

Dr. Alexander Schumann, Geschäftsführer bei der Firma CARBOCON, ist ebenfalls der Meinung, dass es sich bei Carbonbeton um den Baustoff der Zukunft handelt: „Nach jahrzehntelanger Entwicklung und Optimierung konnte der Carbonbeton aus dem Forschungsumfeld heraus in die freie Wirtschaft überführt werden, sodass wir dessen Potentiale in der Praxis zur Anwendung bringen können. Sowohl im Bereich der Sanierung und Verstärkung als auch beim Neubau von Bauwerken lassen sich mit Carbonbeton wirtschaftliche und ökologische Vorteile erzielen. Mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung/allgemeinen Bauartengenehmigung CARBOrefit® liegt bereits eine Regulierung vor, um sanierungsbedürftige Stahlbetonbauwerke mit Carbonbeton instand zu setzen. In diesem Bereich konnten wir einige spannende Projekte durchführen und Gebäude von gesellschaftlichem Wert, wie beispielsweise die Hyparschale in Magdeburg, erhalten. Auch für den Neubaubereich wird aktuell an einer Richtlinie gearbeitet, die zeitnah veröffentlicht werden soll, wodurch die Hemmnisse einer Carbonbetonanwendung in der Praxis signifikant reduziert werden. Aber auch bis zur Einführung der Richtlinie können Bauwerke mit projektbezogenen Zustimmungen erfolgreich umgesetzt werden; dies stellt heute aufgrund der vorliegenden Erfahrungen kein Hindernis mehr dar. CARBOCON steht als führender Dienstleister im Bereich der Planung und Beratung von der Machbarkeitsstudie, der Bemessung und Berechnung über die Begleitung von Genehmigungsprozesse bis hin zum Projektmanagement als fachkundiger, zuverlässiger Partner zur Verfügung. Gemeinsam mit unserem großen Partnernetzwerk aus starken Wirtschaftsunternehmen stellen wir uns gerne jeder Herausforderung.“

Verstärkung der historischen Fußgängerbrücke über den Stadtgraben zur Thainburg mit Carbonbeton.
Foto: © CARBOCON GmbH

Text: Stefan Mothes

Titelbild: © CARBOCON