Ein Expertengespräch – Wir haben mit Tobias Brück, erfahrenem Zimmermann und Bauleiter, über den wohl nachhaltigsten aller Baustoffe gesprochen.
Unsere Städte sind vielerorts noch immer dominiert von Asphalt, versiegelten Flächen, hohem Verkehrsaufkommen oder aber parkenden Autos. Ein gewohnter Anblick – und vom Komfort der individuellen Bewegungsfreiheit per Pkw profitieren viele. Lange Zeit wurde dieses Modell kaum hinterfragt – die meisten Städte sind für den individualisierten Autoverkehr ausgelegt und funktionieren auf dieser Grundlage.
Doch die Dinge ändern sich. Längst haben Architekten und Stadtplaner erkannt, dass an eine lebenswerte Stadt heutzutage ganz andere Kriterien gestellt werden. Gefördert wird diese Entwicklung auch durch steigende Temperaturen aufgrund des fortschreitenden Klimawandels, der die Städte im Sommer zunehmend in Hitzeöfen verwandelt. Auch die Corona-Pandemie hat viele zusätzlich sensibilisiert, als während der Lockdowns stark befahrene Plätze und Straßen plötzlich leer blieben und die Menschen den urbanen Raum neu für sich entdeckten – und schätzen lernten.
Die Stadt Paris ist hier beispielhaft. Der Architekt Philippe Chiambaretta hat beispielsweise ein Konzept für die Umwandlung der stark befahrenen Champs-Elysées vorgelegt – mit Begrünung und weitläufigen Flaniermeilen für Fußgänger. An anderer Stelle ist die Transformation bereits in vollem Gange. Seit 2015 hat die Stadt circa 150 Millionen Euro in den Ausbau des Fahrradnetzes investiert (Quelle: ZDF Dokufilm „Lebenswerte Citys“). Der Prozentsatz der Fahrradfahrer ist seit ebendiesem Jahr von drei auf 23 Prozent gestiegen. Radeln im Zentrum von Paris – vor ein paar Jahren nahezu undenkbar, heute gelebter Alltag.
Auch in deutschen Städten ist der Wunsch nach Veränderung angekommen. „Der öffentliche Raum ist für alle da. Wir haben uns an das Bild der parkenden Autos gewöhnt, aber im Prinzip gehört die Stadt den Menschen, dafür ist die Stadt auch da und deswegen soll es auch eine Stadt sein, die den Menschen dient und eben nicht ausschließlich dem individualisierten Autoverkehr“, fasst es der Mannheimer Architekt Robin Lang zusammen. Gemeinsam mit Wulf Kramer hat er City Decks gegründet – ein Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, den öffentlichen Raum wieder mehr für die Menschen nutzbar zu machen. Mit ihren eigens entworfenen Citymöbeln, die von Städten und Kommunen gemietet oder gekauft werden können, wollen sie inmitten von Verkehrswüsten kleine begrünte Oasen schaffen, die zum Verweilen einladen sollen. Und beim Plaudern mit dem Sitznachbarn lernt man vielleicht auch die Nachbarschaft einmal besser kennen.
Der öffentliche Raum ist für alle da.
Robin Lang, Architekt
Neben modularen Stadt-Terrassen, einfach aufstellbaren Bühnen, kühlenden Stadtmöbeln mit Begrünung oder einer Pop-up-Fahrradstation ist es vor allem das sogenannte „modulare Parklet“, das als Kernidee von City Decks die Straßen zum Wohnzimmer machen soll. Speziell entwickelt für öffentliche Parkplatzflächen, kann es flexibel aufgebaut und erweitert werden. Die Möbel können temporär oder dauerhaft zum Einsatz kommen und wurden an mehreren Orten in Deutschland bereits getestet, wie beispielsweise in Bremen im Rahmen eines Versuchs des örtlichen Verkehrslabors.
Geschäftsführer Robin Lang erklärt es im ZDF-Film „Lebenswerte Citys“ folgendermaßen: „Wie befassen uns mit der Umnutzung von Parkplatzflächen in Innenstädten. Dafür haben wir Bänke konzipiert in Kombination mit Grün, die modular funktionieren und damit können wir relativ schnell und flexibel in Innenstädten agieren und temporäre, neue Nutzungen hervorrufen und diese auch testen.“
Der Mannheimer, der an der Universität Kaiserslautern Architektur studierte, erhofft sich ein langfristiges Umdenken und die Offenheit für neue Wege und Lösungen bei der zukünftigen Gestaltung unserer Städte.
Es gibt keinen Ausweg. Wir müssen uns verändern – wir müssen die Städte verändern.
Robin Lang, Geschäftsführer City Decks
„Ich glaub‘ es gibt gar keinen Ausweg. Wir müssen uns jetzt verändern, wir müssen die Städte verändern. In allen Städten in Deutschland, europaweit, international kämpfen wir schon mit leerstehenden Flächen, mit Staus, mit Abgasen und dafür braucht es einfach neue Lösungen, neue Konzepte.“
Auch Paris setzt auf neue Konzepte. Neben dem Ausbau des Fahrradnetzes wird stadtweit experimentiert, um die Metropole lebenswerter, grüner und zukunftstauglicher zu machen. Der Unternehmer Baptiste Laurent beispielsweise setzt auf wasserspeichernde Pflanzkübel, die für mehr Kühle und Grün im Asphaltdschungel sorgen sollen. Als Mitgründer und Geschäftsführer von Vertuo will er sich angesichts des fortschreitenden Klimawandels für nachhaltige und gesunde Städte einsetzen. Die bepflanzbaren Kübel, die seine Firma entworfen hat, speichern Regenwasser und sollen die Natur nachahmen. Vom unterirdisch gesammelten Wasser könne sich die Pflanze bis zu 40 Tage lang selbst versorgen. Relativ geringer Aufwand – hoher Nutzen. Denn dort, wo das Podest mit den Pflanzkübeln steht, heize sich der Boden viel weniger stark auf als bei den gewöhnlichen Asphaltflächen, was wiederum für ein größeres Wohlbefinden in der Stadt sorge.
Wie eine bedeutungsvolle Veränderung mit relativ geringem Organisationsaufwand geht, das wollen auch die innovativen Köpfe aus Baden-Württemberg mit ihren farbenfrohen und unkonventionellen Stadtmöbeln zeigen. Gefertigt aus heimischen Hölzern und produziert in Deutschland, sollen diese auf ganz konkrete Weise die Straßenräume von morgen mitgestalten. Getrieben davon, wie toll Stadt sein kann und wie „wenig es manchmal dafür braucht“, wirken Robin Lang und sein Team aktiv mit an der Veränderung unseres urbanen Raumes, der laut Geschäftsführer als „Wohnzimmer“ für alle da ist – und eben nicht nur vorrangig für (parkende) Autos.
Text: Marit Albrecht
Fotos und Titelbild: © City Decks
Ein Expertengespräch – Wir haben mit Tobias Brück, erfahrenem Zimmermann und Bauleiter, über den wohl nachhaltigsten aller Baustoffe gesprochen.
Im Kolumnenbeitrag „Frauen bauen“ beleuchtet Dr.-Ing. Katharina Neubauer die Rolle von Frauen im Baugewerbe über die Jahrhunderte hinweg. Die Autorin ist Teil von TOMAS – Transformation of Material and Space, einer „sozialverträglichen Architekturunternehmung“.